Rz. 177
Das Bemessungskriterium "Schwierigkeit" aus § 14 Abs. 1 RVG betrifft Merkmale der juristischen Bearbeitung, in denen besondere Kenntnisse erforderlich sind. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, wie intensiv sich der Rechtsanwalt mit der Sache beschäftigen muss. Dabei werden die rechtliche und die tatsächliche Schwierigkeit unterschieden.
a) Rechtliche Schwierigkeit
Rz. 178
Immer ist anhand eines objektiven Maßstabes zu prüfen, ob die anwaltliche Tätigkeit schwierig ist oder nicht. Das bedeutet, dass ein RA nicht schon deshalb die Gebühren anheben kann, weil er als Fachanwalt im Familienrecht spezialisiert ist (siehe auch Rdn 182 f. unten). Die Tätigkeit auf diesem Rechtsgebiet muss objektiv schwierig sein. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Zugewinnausgleichsverfahren durchschnittlich sein kann und der bearbeitende RA trotz Fachanwaltstitel keine höheren Gebühren verlangen kann. Muss aber bei einem Zugewinnausgleichsverfahren beispielsweise erst eine Unternehmensbewertung durch Sachverständigengutachten erfolgen, um den dem Auftraggeber zustehenden Ausgleichsanspruch berechnen zu können, kann von einer objektiven Schwierigkeit des Falles ausgegangen werden, was zu einer höheren Gebühr führt. Es kommt also grundsätzlich nicht darauf an, ob die Sache für den bearbeitenden RA schwierig ist. Würde die Schwierigkeit subjektiv bemessen werden, könnte der schlechte Anwalt, für den alles schwierig ist, immer die Höchstgebühr abrechnen.
Fälle aus dem Familien- und Erbrecht können grundsätzlich als schwierig angesehen werden.
b) Tatsächliche Schwierigkeit
Rz. 179
Tatsächliche Schwierigkeiten können zu einer Erhöhung der Rahmengebühren führen: Solche, die durch die Fallgestaltung bedingt sind, aber auch solche, die durch den Umgang mit den beteiligten Personen entstehen. Tatsächlich schwierig kann eine Sache sein, wenn der RA sich mit Gutachten auseinandersetzen muss (z.B. medizinischen/psychiatrischen); die Aufklärung des Sachverhalts aufgrund von Widersprüchen schwierig ist; Verständigungsschwierigkeiten zwischen RA und Mandant vorhanden sind, z.B. weil der Mandant ein Hörgerät trägt, oder ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss, oder der Rechtsanwalt den im Ausland befindlichen Mandanten nur zu ganz bestimmten Uhrzeiten erreichen kann; Schwierigkeiten mit einem uneinsichtigen und wenig nachgiebigen Gegner; Schwierigkeiten, die in der Persönlichkeitsstruktur des Mandanten liegen. Auch die Vertretung mehrerer Auftraggeber kann zu einer Erhöhung führen, wenn kein Fall der Nr. 1008 VV RVG gegeben ist.
Rz. 180
Praxistipp
"Schwierige Mandanten", die unter das Kriterium "tatsächliche Schwierigkeit" fallen, wirken sich in der Regel auch auf den Umfang einer Angelegenheit aus. Mandanten, die den Anwalt "über Gebühr" als kostenlose allgemeine Lebenshilfe in Anspruch nehmen und Rat und Trost in stundenlangen Telefonaten verlangen, kann man mit der Bitte um Vereinbarung eines Stundensatzes meist dazu bewegen, die Gespräche auf das notwendige Maß zu beschränken. Eine Stundensatzvereinbarung wäre allerdings auch nur mit einem "nicht-VKH-Mandanten" möglich (vgl. § 3 Rdn 105 ff.; zur notwendigen Transparenz von Stundensatzvereinbarungen siehe § 3 Rdn 237 u. 303 ff. in diesem Werk).
Rz. 181
Bitte prüfen Sie: In der Regel führen schwierige Mandanten auch zu einem Mehraufwand und erhöhen so den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit z.B. durch:
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dauernde Anrufe |
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beratungsresistentes Verhalten |
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geringe Vergleichsbereitschaft |
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unsinnige Vorschläge zur "Prozesstaktik" |
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endlose Rückfragen |
Dieses Kriterium kann tatsächlich im Honorarprozess vorgetragen werden, sofern es erfüllt ist.
c) Reduktion Schwierigkeit beim Fachanwalt für Familienrecht?
Rz. 182
Keinesfalls ist nach Ansicht der Verfasserin der Auffassung zu folgen, die annimmt, bei einem Fachanwalt sei das Kriterium "Schwierigkeit" immer abzusenken, da ihm die Bearbeitung auch schwierigerer Fälle grundsätzlich leichter fällt als einem Nicht-Fachanwalt. Umgekehrt würde dies bedeuten, dass der Rechtsanwalt, der weder spezialisiert noch besonders gut ist, die höchsten Gebühren abrechnen könnte, denn für ihn ist alles schwierig.
Rz. 183
Die Schwierigkeit ist daher immer nach objektiven Maßstäben zu bemessen.
Otto (Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz, Referat anwaltliches Kostenrecht) teilt die Schwierigkeiten in Familiensachen wie folgt ein:
Durchschnittlich schwierig
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ist eine Scheidungsangelegenheit, bei der sich bei Beauftragung des Anw... |