Rz. 75
Die übliche Vergütung i.S.d. § 612 Abs. 2 bzw. § 632 Abs. 2 BGB, die verlangt werden kann, wenn keine Gebührenvereinbarung getroffen worden ist, bemisst sich "nach dem für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen im gleichen oder ähnlichen Gewerbe oder Beruf von, unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Berechtigten gezahltem Entgelt". Sofern sich eine übliche Vergütung nicht bestimmten lässt oder es an einer solchen fehlt, hat nach § 316 BGB der Vertragsteil das Bestimmungsrecht, welcher die Gegenleistung zu fordern hat. Die Bestimmung hat nach billigem Ermessen zu erfolgen, § 315 Abs. 1 BGB. Eine Bestimmung ist für den anderen Vertragsteil jedoch nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Sofern die so festgelegte Vergütung der Billigkeit nicht entspricht, wird die Bestimmung durch Urteil getroffen, § 315 Abs. 3 BGB.
Rz. 76
Bei der Bestimmung der "üblichen" Vergütung ist auf das abzustellen, was für einschlägige Fälle andere, vergleichbare Rechtsanwälte in der Region vereinbaren. Das Soldan-Institut für Anwaltmanagement hat das Ergebnis einer Studie herausgegeben.
Stundensätze der Rechtsanwälte liegen zwischen 100,00 EUR und 600,00 EUR; international tätige Großkanzleien verlangen auch oft mehr.
Nach meiner Erfahrung in der Praxis liegen in Familiensachen die Stundensätze bei durchschnittlichen Einkommen zwischen 250,00 und 380,00 EUR je nach Region. Bei sehr vermögenden Ehegatten werden auch 500,00 EUR und mehr vereinbart. Die Region, in der der Rechtsanwalt seine Kanzlei hat, spielt bei der Bemessung der Stundensätze eine ganz entscheidende Rolle. Dabei können sich schon innerhalb eines Kammerbezirks erhebliche Unterschiede ergeben. Ergänzend zur Frage der Stundensätze sehen Sie bitte auch in § 3 Rdn 200 ff.
Rz. 77
Eine Angemessenheitskontrolle an eine vereinbarte Vergütung, wie § 3a RVG dies fordert, kann nach richtiger Ansicht von Bischof für § 34 RVG nicht zur Anwendung kommen, da § 3a RVG auf § 34 nicht anwendbar ist. Einzige gesetzliche Regelung für die mündliche oder schriftliche Beratung ist § 34 RVG. Wenn eine Gebührenvereinbarung getroffen worden ist, schließt sich auch die Bemessung an der "üblichen Vergütung" nach §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB aus, da § 34 S. 1 und 2 sich gegenseitig ausschließen.
Es gibt keine gesetzliche Vergütung nach dem RVG, an der die übliche Vergütung bemessen werden kann. Richtig führt Bischof aus, dass der Gesetzgeber ja eben gerade die gesetzliche Vergütung für die Beratung abgeschafft hat und der Markt allein regulierend wirken sollte. Auch für den Verbraucher wurde ausdrücklich die Gebührenvereinbarung freigegeben.
Rz. 78
Das Bundesverfassungsgericht hat das Einstellen eines Angebots einer 60 Minuten-Beratung mit einem Startpreis von 1,00 EUR bei eBay als berufsrechtlich zulässig erachtet.
Mit gemischten Gefühlen wird seitens der Verfasserin die BGH-Entscheidung, zur berufsrechtlich zulässigen kostenlosen Erstberatung in Unfallsachen, betrachtet. Gemischt deshalb, weil es einerseits erfreulich ist, wenn der BGH das anwaltliche Berufsrecht, hier § 49b Abs. 1 BRAO nicht allzu eng auslegt; unerfreulich dürfte aber sein, dass die bei Mandanten weit verbreitete Meinung, Erstberatungen seien kostenlos, durch solche Entscheidungen natürlich noch mehr "Nahrung" erhalten. Anwälte sind daher erst recht nach dieser Entscheidung aufgerufen, vor einem Beratungsgespräch über Ihre Vergütung sprechen.
Rz. 79
Hinweis
Reine Beratungen sind bereits seit dem 1.7.2006 nicht mehr nach Gegenstandswert abzurechnen. Die gesetzliche Regelung sieht grundsätzlich den Abschluss einer Gebührenvereinbarung vor. Wenn eine solche mit einem Verbraucher nicht abgeschlossen worden ist, ist der Rechtsanwalt bezüglich seiner Gebührenforderung auf 190,00 EUR bzw. max. 250,00 EUR beschränkt (vgl. nachstehende Rdn 80). Die Kappungsgrenzen gelten auch bei einer Beratung in einem "Millionenmandat".