a) Gesetzliche Grundlage
Rz. 558
Auch im schriftlichen Verfahren, d.h. in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, die aber im Einverständnis mit den Beteiligten nicht stattfindet, oder in den Fällen des § 307 ZPO (Anerkenntnisbeschluss nach Aufforderung zur Anzeige der Verteidigungsabsicht) oder § 495a ZPO (Entscheidung des Gerichts bei Verfahrenswert unter 600,– EUR das schriftliche Verfahren durchzuführen) kann der Rechtsanwalt eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 erhalten, vgl. dazu Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG. Dies gilt auch dann, wenn im schriftlichen Verfahren entschieden oder in einem solchen Verfahren mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag im Sinne der Nummer 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache im Sinne der Nummer 1002 eingetreten ist, vgl. dazu Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG.
Zusammenfassend:
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mündliche Verhandlung ist vorgeschrieben (nicht bei Entscheidung nach § 128 Abs. 3 ZPO, §§ 91a, 269 Abs. 4, 516 Abs. 3 ZPO); |
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Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder; |
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bei Anerkenntnisbeschluss im schriftlichen Verfahren oder; |
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bei Versäumnisbeschluss im schriftlichen Verfahren oder; |
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Entscheidung in Bagatellstreitigkeiten nach § 495a ZPO (Achtung: Auf Antrag muss mündliche Verhandlung anberaumt werden!); |
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eine Einigung mit oder ohne Beteiligung des Gerichts in derartigen Verfahren geschlossen wird. |
b) Einigung im schriftlichen Verfahren
Rz. 559
Der Gesetzgeber hat Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG zum 1.1.2021 sprachlich angepasst. Bis 31.12.2020 wurde noch auf einen "schriftlichen Vergleich in einem solchen Verfahren" abgestellt. Es war schon seit einiger Zeit in der Fachliteratur immer wieder die Frage aufgeworfen worden, wie Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu Nr. 3104 VV RVG zu verstehen ist. Dabei wurde diskutiert, ob hiermit der Vergleich nach z.B. § 278 Abs. 6 ZPO allein gemeint sei oder ob die Terminsgebühr auch dann entstehen könne, wenn ohne Beteiligung des Gerichts ein Vergleich geschlossen wird, der aufgrund seiner kurzfristigen Erfüllung beispielsweise weder einer Protokollierung nach § 160 Abs. 4 ZPO noch einer Feststellung im Beschlusswege nach § 278 Abs. 6 ZPO bedarf. Vergleiche können z.B. protokolliert (§ 160 Abs. 4 ZPO) oder aber im Beschlusswege festgestellt werden (§ 278 Abs. 6 ZPO), dann ohne Termin. Im ersten Fall (Protokollierung) entsteht die Terminsgebühr bereits durch die Wahrnehmung des Termins, so dass es weiterer Überlegungen zur Entstehung nicht bedarf. Für zweiteren Fall (Beschlusswege-Feststellung) waren sich Gerichte und Experten einig, hatte dies doch auch bereits der BGH 2005 so entschieden. Wie aber ist diese Frage zu beantworten, wenn es weder einer Protokollierung noch einer Feststellung mehr bedarf, weil der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich recht schnell erfüllt wird? Hier gab es unterschiedliche Auffassungen. Während die einen Gerichte sich für einen Anfall aussprachen, lehnten andere die Entstehung der Terminsgebühr in solchen Fällen ab.
Rz. 560
Der BGH hatte diese Frage im Mai 2020 endlich zugunsten der Anwaltschaft entschieden und damit gleich zwei Fragen beantwortet: 1. Die Terminsgebühr kann für außergerichtliche schriftliche Vergleiche entstehen. 2. Das gilt auch im einstweiligen Verfügungsverfahren.
Zitat
"a) Für die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 VV RVG genügt der Abschluss eines außergerichtlichen schriftlichen Vergleichs; nicht erforderlich ist, dass der Vergleich protokolliert oder sein Zustandekommen gemäß § 278 Abs. 6 ZPO seitens des Gerichts festgestellt wird."
b) Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 VV RVG entsteht auch dann, wenn der schriftliche Vergleich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren nach §§ 935 ff. ZPO geschlossen wird.“
Der BGH begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, den Anwalt zu belohnen, der durch einen Vergleichsabschluss ein gerichtliches Verfahren zu Ende bringt.
Rz. 561
Der Gesetzgeber hat sodann zum 1.1.2021 die Wörter "ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird" durch die Wörter "mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag im Sinne der Nummer 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache im Sinne der Nummer 1002 eingetreten ist" ersetzt und begründete dies wie folgt: