Rz. 85
Seit Einführung des RVG ist das Entwerfen einer Urkunde nicht mehr im Gesetzeswortlaut erwähnt, wobei sich aus der Gesetzesbegründung kein Hinweis ableiten lässt, dass die Geschäftsgebühr Nr. 2300 für den Entwurf einer Urkunde oder eine einseitige Willenserklärung (nicht wechselseitiger Erbvertrag!) wie z.B. ein Testament, nicht mehr gelten sollte. Das OLG Nürnberg versagte jedoch die Geschäftsgebühr für die Hilfe bei der Erstellung einer Urkunde und billigt dem Anwalt lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG zu für die Erstellung eines Mahnschreibens, das der Mandant selbst absenden wollte. Gebührenverlust: Enorm! Zu Beginn des Inkrafttretens des RVG wurde in der Literatur noch überwiegend angenommen, dass das Erstellen einer Urkunde und damit z.B. auch eines Testaments die Geschäftsgebühr auslöst. Sehr bald mehrten sich die Stimmen in der Rechtsprechung, dass auch für die Hilfe bei der Erstellung eines Testaments keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV abgerechnet werden kann. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Mitwirkung bei der Erstellung eines Erbvertrags, Erbverzichtsvertrag oder Pflichtteilsverzichtsvertrag mit wechselseitigen Regelungen (Geschäftsgebühr entsteht unstreitig) und dem einseitigen Testament (Tendenz der Rechtsprechung zur Anwendung des § 34 RVG). Testamente sind (ebenso wie ein Erbvertrag) Verfügungen von Todes wegen.
Rz. 86
Der BGH hat am 22.2.2018 die bis dahin höchst strittige Gebührenrechtsfrage entschieden. Nach Ansicht des BGH führt die Hilfe bei der Errichtung eines Testaments nicht zum Anspruch auf Abrechnung einer Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert; vielmehr liege eine Beratung i.S.d. § 34 RVG vor:
Zitat
"1. Die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts ist als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten. (Rn 8)"
2. Der auftragsgemäße Entwurf zweier abgestimmter Testamente ist keine die Geschäftsgebühr auslösende Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. (Rn 12 – 14)
3. Teilt der Rechtsanwalt dem Mandanten eine den gesetzlichen Anforderungen formal entsprechende, aber inhaltlich falsche Berechnung seiner Vergütung mit, kann er die tatsächlich entstandene Vergütung einfordern, soweit sie die berechnete Vergütung nicht übersteigt (Bestätigung von BGH, NJW 2007, 2332). (Rn 17)“
Rz. 87
Nach Auffassung des BGH reicht die mittelbare Außenwirkung nicht aus, die Geschäftsgebühr auszulösen. Der BGH führt hierzu aus, dass die mittelbare (und nicht die unmittelbare) Außenwirkung einer jeden Beratung immanent sei. Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 RVG auf die Anwendung der Gegenstandswertvorschrift des § 102 GNotKG verweisen würde, belege nicht, dass eine Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert abgerechnet werden könnte. Denn die Frage, ob überhaupt eine Geschäftsgebühr angefallen sei, wird auf die Verweisung dieser Wertvorschrift nach Ansicht des BGH nicht beantwortet. Natürlich stellt sich hier die Frage, in welchen Fällen dann die Vorschrift überhaupt zur Anwendung kommen kann, soweit hier nicht auf Erbverträge, Erb- oder Pflichtteilsverzichtsverträge verwiesen wird, sondern auch auf letztwillige Verfügungen. Eine Abgrenzung hat der Gesetzgeber jedenfalls in § 23 Abs. 3 RVG NICHT vorgenommen; vielmehr erklärt er diesen vollständig für anwendbar.
Rz. 88
Der BGH führt im Einzelnen zur Entstehung der Geschäftsgebühr wie folgt aus:
Zitat
"Auch unter dem Gesichtspunkt einer Mitwirkung an der Gestaltung eines Vertrags können die Kläger keine Geschäftsgebühr beanspruchen. Die Vorbemerkung 2.3 des Vergütungsverzeichnisses nennt in Absatz 3 eine solche Mitwirkung als selbstständige Fallgruppe neben dem Betreiben des Geschäfts. Sie bedurfte einer gesonderten Erwähnung, weil mangels einer nach außen gerichteten Tätigkeit kein Betreiben des Geschäfts vorliegt, wenn sich die Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Vertragsgestaltung darauf beschränkt, im Innenverhältnis gegenüber dem Mandanten tätig zu werden. Eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG wird in diesem Fall jedoch nur ausgelöst, wenn sich die Mitwirkung auf einen Vertrag bezieht. Dessen Ausrichtung auf eine andere Vertragspartei rechtfertigt die gebührenrechtliche Gleichbehandlung mit dem Fall, dass der Rechtsanwalt selbst nach außen tätig werden soll."
Rz. 89
Damit stellt der BGH nochmals klar, dass zumindest im Bereich der Mitwirkung bei der Gestaltung an einem Vertrag eine Außenwirkung der anwaltlichen Tätigkeit nicht erforderlich ist. Im vorliegenden Fall ging es nicht allein um die Errichtung eines (1) Testaments, sondern vielmehr um zwei rechtlich selbstständige Einzeltestamente; nicht jedoch einen Erbvertrag. Auch bezog sich der Auftrag nicht auf ein gemeinschaftliches Testament, das nur von Ehegatten gem. § 2265 BGB und eingetragenen Lebenspartnern gem. § 10 Abs. 2 LPartG errichtet werden kann. Der BGH ließ deshalb ausdrücklich offen, ob der Entwurf eines solchen gemeinschaftlichen Testaments mit einer Geschäftsge...