Rz. 170
Praxistipp
Bei der Bemessung dessen, was in einer Familiensache als überdurchschnittlich umfangreich gilt, hilft der Gesetzgeber mit einer von ihm in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studie über den Zeitaufwand der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen in Familiensachen selbst weiter. Diese Studie findet sich in der Begründung des KostRMoG.
Rz. 171
Bei dieser Studie handelt es sich um eine wissenschaftliche Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums, die eigens für das KostRMoG 2003 in Auftrag gegeben worden ist! Die hier ermittelten Werte können für die Bemessung der Geschäftsgebühr herangezogen werden.
Rz. 172
Zitat aus der BT-Drucksache 15/1971, 148 f.:
Zitat
"Die Gebühren in Scheidungssachen sind in der Vergangenheit immer wieder als zu hoch kritisiert worden. Der Bundesrat hat diese Auffassung bereits in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen im Jahre 1986 zum Ausdruck gebracht (Bundestagsrucksache 10/5113, 44). Nach dem eingangs erwähntem Forschungsbericht "Das Zeitbudget der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Scheidungs- und Folgesachen" von Prof. Dr. Hommerich, hat der durchschnittliche Zeitaufwand für die Scheidung ohne die Folgesachen 129 Minuten betragen. Da die Justizstatistik die Scheidungssachen nur mit dem Versorgungsausgleich gemeinsam erfasst, muss für eine Überprüfung der Gebührenhöhe der für den Versorgungsausgleich erbrachte durchschnittliche Zeitaufwand von 51 Minuten hinzugerechnet werden. Hierbei muss noch der Zeitaufwand für die Vorfeldberatung eingerechnet werden, die nach dem Forschungsbericht 146 Minuten betragen hat. In dem für die Vorfeldberatung ermittelten Zeitaufwand sind jedoch auch die sonstigen Folgesachen enthalten, die wohl einen nicht unerheblichen Teil des insoweit angefallenen Zeitaufwands beanspruchen. Im Ergebnis lässt sich jedoch feststellen, dass der durchschnittliche Zeitaufwand für die Scheidung einschließlich Versorgungsausgleich und dazugehörender Vorfeldberatung in einer Größenordnung von etwa 4 Stunden liegen dürfte. Will man die nach geltendem Recht anfallenden Gebühren in diesem Bereich in eine Relation zu dem Zeitaufwand setzen, kommt ein Vergleich mit den Gebühren in Betracht, die aus dem nach der Justizstatistik von 1998 ermittelten durchschnittlichen Streitwert in Höhe von rund 7.700 EUR anfallen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieser Wert ausschließlich aus solchen Verfahren ermittelt worden ist, in denen keine weiteren Folgesachen anhängig waren. Aus dem genannten Streitwert entstehen nach geltendem Recht drei Gebühren (Prozess-, Verhandlungs-/Erörterungs- und Beweisgebühr) in Höhe von jeweils 412 EUR (= 1.236 EUR). Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei Prozesskostenhilfe (immerhin 39 % der Fälle) Gebühren nur in einer Höhe von insgesamt 702 EUR entstehen, was einem Stundenbetrag von ca. 175,50 EUR entspricht. Betrachtet man entsprechend die Scheidungssachen, mit denen weitere Folgesachen verbunden waren, liegt der Zeitaufwand des Anwalts bereits bei mehr als 7 Stunden. Der durchschnittliche Streitwert in diesen Verfahren beträgt rund 10.800 EUR. Drei Gebühren aus diesem Wert betragen 1.578 EUR, bei Prozesskostenhilfe 738 EUR. Dies entspricht für jede Stunde einer Gebühr von 224 EUR bzw. 105,42 EUR (PKH). Da nicht in allen Folgesachen eine Beweisgebühr anfällt, dürfte das tatsächliche Entgelt für eine Stunde noch etwas niedriger liegen."
Bei den aus dem Untersuchungsergebnis zu ziehenden Konsequenzen muss mit Bedacht vorgegangen werden, weil zahlreiche Kanzleien ihr Schwergewicht auf Familiensachen gelegt haben. Die mit dem Entwurf des RVG vorgeschlagene neue Gebührenstruktur (Verfahrensgebühr von 1,3 und Terminsgebühr von 1,2) führt in diesem Bereich zu einer Gebührenreduzierung. Für die betroffenen Anwälte wird eine weitgehende Kompensierung der hierdurch bedingten Einnahmeausfälle im Wesentlichen durch zwei Änderungen erreicht:
a) |
Änderung der Anrechnungsvorschriften bei Übergang von der vorgerichtlichen Vertretung zum gerichtlichen Verfahren und |
b) |
Erhöhung im Bereich der isolierten Verfahren. |
Die Zusammenfassung der derzeitigen Geschäftsgebühr und der Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO) für die vorgerichtliche Vertretung zu einer Gebühr mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 macht eine Änderung der Anrechnungsvorschriften erforderlich. Während nach geltendem Recht die Geschäftsgebühr vollständig auf die Prozessgebühr anzurechnen ist (§ 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO), soll sie künftig nur noch zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden (vgl. Teil 3 Vorbemerkung 3 VV RVG-E). Dies hat für den Rechtsanwalt umso günstigere Auswirkungen, je aufwändiger seine vorgerichtliche Tätigkeit ist. Da in Familiensachen der Zeitaufwand im vorgerichtlichen Bereich häufig sehr hoch ist, wird es in diesen Fällen zu einer spürbaren Verbesserung der Vergütung für die außergerichtliche Tätigkeit kommen.
Bei der Überprüfung der Geb...