Rz. 342

In der Praxis stellt sich die Frage, ob eine nur vorübergehende Einigung über das Umgangsrecht oder aber auch die Regelung nur von Zwischenstreitigkeiten die Einigungsgebühr auslösen kann.

 

Rz. 343

Noch recht streng hinsichtlich des Anfalls einer Einigungsgebühr bei Abschluss eines "Zwischenvergleichs" hat das OLG Köln[254] 2008 entschieden:

Zitat

"In einem Verfahren über das Umgangsrecht kann ein "Zwischenvergleich" der Kindeseltern die Ansetzung einer Einigungsgebühr allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Kindeseltern diese Zwischenregelung zur beständigen Grundlage für weitere zukünftige Umgangskontakte gemacht haben und – aktenkundig – aus diesem Grund das Verfahren ohne eine abschließende Entscheidung des Familiengerichts geendet hat."

 

Rz. 344

Bei einer vorläufigen Regelung bis zur Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens wird nach Ansicht des OLG Hamm die Einigungsgebühr nicht ausgelöst. Vorsicht ist darüber hinaus auch geboten, wenn Verfahren vereinzelt werden; der VKH-Anwalt kann dann im Vergütungsfestsetzungsverfahren eine böse Überraschung erleben:

Zitat

"1. Streiten die Kindeseltern über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder und treffen sie dann in diesem Verfahren eine vorläufige Regelung über den Aufenthalt der Kinder bis zur Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens, so löst dies noch keine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG aus."

2. Leitet der Anwalt getrennte Sorgerechtsverfahren für die zwei gemeinsamen Kinder der Beteiligten ein, verstößt er gegen das Gebot der kostensparenden Verfahrensführung und hat nur Anspruch auf Vergütungsfestsetzung für die Vergütung eines einheitlichen Verfahrens.“[255]

Die Entscheidung ist zumindest im zweiten Leitsatz falsch. Die Frage, ob eine Verfahrensführung mutwillig ist, hat der Richter bereits im VKH-Prüfungsverfahren durchzuführen; eine "Regulierung" im Kostenfestsetzungsverfahren durch den UdG oder Rechtspfleger verbietet sich.[256]

 

Rz. 345

Inzwischen wird aber ganz überwiegend auch bei sogenannten Zwischeneinigungen die Einigungsgebühr bejaht.

Zitat

"In Umgangsstreitigkeiten entsteht eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1003 Anm. II VV-RVG bereits dann, wenn die Vereinbarung Regelungen zum Umgang enthält, sich also nicht in einer prozessualen Zwischenlösung erschöpft, und familiengerichtlich gebilligt wird. Unerheblich ist, ob die Vereinbarung das gesamte Gerichtsverfahren erledigt oder ob durch sie eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird."[257] (amtlicher Leitsatz)

Zitat

"Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV-RVG entsteht aus dem reduzierten Verfahrenswert nach §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG auch für eine Zwischenvereinbarung in einer Umgangssache, wenn dadurch ein einstweiliges Anordnungsverfahren vermieden wird; Nr. 1003 Abs. 2 VV-RVG beschreibt nur den Sonderfall des Entstehens einer Einigungsgebühr in Sorgerechtssachen – das Entstehen einer Einigungsgebühr in Umgangssachen ist dadurch nicht ausgeschlossen."[258]

Der Zwischenvergleich in einer Umgangssache löst, sobald eine Teilregelung gefunden wird, eine Einigungsgebühr aus.“[259]

 

Rz. 346

Auch das OLG München hält den Anfall einer Einigungsgebühr bei einer Zwischeneinigung für möglich, siehe dazu Rdn 320 in diesem Kapitel.[260]

 

Rz. 347

Zu beachten ist, dass zwar mehrere Einigungsgebühren entstehen können. Gemäß § 15 Abs. 2 RVG können die Gebühren in derselben Angelegenheit aber nur einmal gefordert werden. Mehrere Zwischenvereinbarungen führen daher nicht dazu, dass mehrere Einigungsgebühren entstehen, es sei denn, es liegen mehr als zwei Kalenderjahre zwischen den jeweiligen anwaltlichen Tätigkeiten, § 15 Abs. 5 RVG.

 

Rz. 348

 

Praxistipp

Ist möglich, dass die Umgangsregelung auch über einen längeren Zeitraum hin gelten kann, sollte eine Befristung in die Einigung nicht aufgenommen werden.

[255] OLG Hamm, Beschl. v. 2.1.2013 – 6 WF 254/12 = BeckRS 2013, 02315 = JurBüro 2013, 242 = FamFR 2013, 110.
[256] BAG, Beschl. v. 17.2.2011 - 6 AZB 3/11 NJW 2011, 1161 = JurBüro 2011, 374 = MDR 2011, 922; OLG Bremen, Beschl. v. 11.6.2015 – 5 WF 19/15, NZFam 2015, 770 = AGS 2015, 337; OLG Hamm, Beschl. v. 4.11.2016 – 6 WF 127/15, BeckRS 2016, 110367 = RVGReport 2017, 99 = AnwBl 2017, 95 = FamRZ 2017, 469, a.A.: OLG Koblenz, Beschl. v. 17.7.2014 – 7 WF 355/14 FamRZ 2015, 433 = NJW-RR 2015, 388.
[258] OLG Koblenz, Beschl. v. 19.9.2016 – 11 WF 718/16 BeckRS 2016, 110633 = NJOZ 2017, 633 im ausdrücklichen Widerspruch zur a. A: Thüringisches OLG, Beschl. v. 16.6.2016 – 3 WF 279/15, juris.

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