1. Verfahrensauftrag
Rz. 480
Bei einer vorzeitigen Beendigung reduziert sich eine Verfahrensgebühr in den Fällen, in denen der Rechtsanwalt Verfahrensauftrag hatte, nach Nr. 3101 Nr. 1–3 VV RVG auf 0,8. Hat der Rechtsanwalt noch keinen Verfahrensauftrag und befindet er sich im Bereich der außergerichtlichen Vertretung, hat er die Höhe der Geschäftsgebühr bei vorzeitiger Beendigung entsprechend niedriger zu bemessen.
2. Drei Arten der vorzeitigen Beendigung 1. Instanz
Rz. 481
In erster Instanz sieht das Vergütungsverzeichnis (Teil 3 Abschnitt 1) drei Arten der vorzeitigen Beendigung vor.
Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG – |
0,8 Verfahrensgebühr vorzeitige Beendigung (z.B. Scheidungsantrag diktiert, aber noch nicht eingereicht) |
Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG – |
0,8 Verfahrensgebühr Differenzverfahrensgebühr (Mehrvergleich – z.B. bei Scheidungsvereinbarungen über nicht anhängige Ansprüche) |
Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG – |
0,8 Verfahrensgebühr Antragsgebühr in bestimmten Familiensachen und FG-Verfahren (z.B. Stellung eines Antrags und Entgegennahme der Entscheidung) |
3. Vorzeitige Beendigung, Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG
a) Allgemeine Voraussetzungen
Rz. 482
Diese vorzeitige Beendigung betrifft die Fälle, in denen der Auftrag des Rechtsanwalts endigt, bevor er die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht, oder bevor er einen Termin wahrgenommen hat.
Rz. 483
Muster 50: Musterrechnung 5.50: Vorzeitige Beendigung in 1. Instanz – ohne vorherige außergerichtliche Vertretung
Musterrechnung 5.50: Vorzeitige Beendigung in 1. Instanz – ohne vorherige außergerichtliche Vertretung
Rechtsanwalt O soll für seinen Mandanten P einen Antrag auf Zahlung von Zugewinnausgleichsansprüchen einreichen. Rechtsanwalt O hat umfangreiche Berechnungen durchgeführt und kommt zu einem Ausgleichsanspruch von 17.000,00 EUR. Rechtsanwalt O hat sogleich Auftrag zur Einreichung eines Antrags erhalten. Zu einer außergerichtlichen Vertretung kommt es nicht. Rechtsanwalt O diktiert den Antrag. Mandant P ruft in der Kanzlei an und bittet, den Antrag nicht einzureichen, er habe sich außergerichtlich geeinigt. Es kommt nicht mehr zur Einreichung des Antrags.
Gegenstandswert: 17.000,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 RVG, 35 FamGKG 0,8 Verfahrensgebühr aus 17.000,00 EUR Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG |
616,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
536,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
120,84 EUR |
Summe |
756,84 EUR |
Zum Gegenstandswert siehe § 4 Rdn 192 in diesem Werk.
Eine Mitwirkung am Zustandekommen der Einigung ist nicht ersichtlich, daher keine Einigungsgebühr (vgl. dazu Rdn 289; zum Gegenstandswert siehe § 4 Rdn 192).
Rz. 484
Muster 51: Musterrechnung 5.51: Vorzeitige Beendigung in 1. Instanz – mit vorheriger außergerichtlicher Vertretung
Musterrechnung 5.51: Vorzeitige Beendigung in 1. Instanz – mit vorheriger außergerichtlicher Vertretung
Rechtsanwalt O soll für seinen Mandanten P die Zahlung von Zugewinnausgleichsansprüchen geltend machen. Rechtsanwalt O hat umfangreiche Berechnungen durchgeführt und kommt zu einem Ausgleichsanspruch von 17.000,00 EUR. Der Auftrag lautet zunächst auf außergerichtliche Vertretung, nach fruchtlosem Ablauf einer dem Gegner gesetzten Frist erhält Rechtsanwalt O Verfahrensauftrag; er soll einen entsprechenden Antrag bei Gericht einreichen. Rechtsanwalt O Rechtsanwalt O diktiert den Antrag. Mandant P ruft in der Kanzlei an und bittet, den Antrag nicht einzureichen, er habe sich außergerichtlich geeinigt. Die Einigung entspricht den außergerichtlich von Rechtsanwalt O gemachten Vorschlägen, so dass seine Mitwirkung am Zustandekommen der Einigung gegeben ist.
Gegenstandswert: 17.000,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S 1 RVG, 35 FamGKG
1. Außergerichtliche Vertretung
1,3 Geschäftsgebühr aus 17.000,00 EUR Nr. 2300 VV RVG |
1.001,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.021,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
193,99 EUR |
Summe |
1.214,99 EUR |
2. Tätigkeit nach Verfahrensauftrag
0,8 Verfahrensgebühr aus 17.000,00 EUR Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG |
616,00 EUR |
abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG ./. |
500,50 EUR |
Zwischensumme |
115,50 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
135,50 EUR |
1,5 Einigungsgebühr Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG |
1.155,00 EUR |
Zwischensumme |
1.290,50 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
245,20 EUR |
Summe |
1.535,70 EUR |
Zum Gegenstandswert siehe § 4 Rdn 192 in diesem Werk.
Eine Mitwirkung am Zustandekommen der Einigung ist ersichtlich, daher fällt eine Einigungsgebühr an, (vgl. dazu Rdn 289); zur Anrechnung der Geschäftsgebühr vgl. unter Rdn 185 in diesem Kapitel; zur Höhe der Auslagenpauschale vgl. § 6 Rdn 12 in diesem Werk.
b) Anzeige der Verteidigungsabsicht
Rz. 485
Da die Anzeige der Verteidigungsabsicht (für Familienstreitsachen vgl. dazu § 113 Abs. 1 i.V.m. § 276 Abs. 1 ZPO) weder Sachantrag ist noch Sachvortrag, erhält der Rechtsanwalt, der für seinen Mandanten anzeigt, dass sich dieser gegen den Antrag verteidigen will, wenn der Antrag sodann zurückgenommen wird, lediglich eine 0,8 Verfahrensgebühr.
Rz. 486
Praxistipp
Wird der Antrag auf Antragsabweisung mit der An...