1. Aussöhnungsgebühr statt Einigungsgebühr
Rz. 429
Da eine Ehe nur durch eine gerichtliche Entscheidung geschieden und eine solche Scheidung bzw. Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe nicht zwischen den Beteiligten durch Vergleich einer Regelung zugeführt werden kann, liegt auf der Hand, dass eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG hier nicht in Ansatz gebracht werden kann. Dies ist so auch in Abs. 5 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV RVG ausdrücklich festgehalten und gilt auch für Lebenspartnerschaftssachen.
Rz. 430
Wirkt der Rechtsanwalt jedoch daran mit, dass sich die Beteiligten wieder aussöhnen, kann er eine Aussöhnungsgebühr nach Nr. 1001 VV RVG in Höhe von 1,5 berechnen, sofern er noch keinen Scheidungsantrag eingereicht hat. Hat er bereits einen solchen eingereicht, entsteht die Aussöhnungsgebühr in Höhe von 1,0. Weitere Voraussetzung für das Entstehen der Aussöhnungsgebühr ist neben der Mitwirkung des Rechtsanwalts, die Anhängigkeit der Scheidung oder zumindest den ernsten Willen eines Ehegatten zur Scheidung. Es müssen also nicht zwangsläufig beide Ehegatten die Scheidung wollen. Eine Aussöhnung wird dann angenommen, wenn der Scheidungsantrag zurückgenommen wird und die Eheleute wieder zusammenleben. Die Aussöhnungsgebühr wird nach dem Wert der Ehescheidungs- oder Lebenspartnerschaftssache berechnet.
Rz. 431
Die Aussöhnungsgebühr entsteht neben den weiteren bisher entstandenen Gebühren, d.h., in der Regel neben einer 1,3 Verfahrens- oder aber 0,8 Verfahrensgebühr für die vorzeitige Beendigung. War noch kein Verfahrensauftrag erteilt (aber der ernste Wille eines Ehegatten zur Scheidung vorhanden), fällt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG an.
2. Ernsthafter Wille
Rz. 432
Der ernsthafte Wille eines Ehegatten reicht nach dem Wortlaut der Nr. 1001 aus. Nicht notwendig ist, dass beide Ehegatten den Willen zur Scheidung haben oder beide Lebenspartner die Aufhebung begehrten. Der ernste Wille eines Ehegatten muss dabei nach außen hervorgetreten sein.
Rz. 433
Nicht ausreichend für das Entstehen der Aussöhnungsgebühr ist eine allgemeine Tätigkeit des Rechtsanwalts zur Zeit der Aussöhnung. Auch nach rechtskräftiger Scheidung kann bei Aussöhnung der Eheleute/Lebenspartner eine Aussöhnungsgebühr nicht mehr berechnet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Ehegatten einander wieder heiraten. Auch wenn die Eheleute zwar den Scheidungsantrag zurücknehmen, jedoch z.B. nur aus finanziellen oder steuerlichen Gründen verheiratet bleiben, wird keine Aussöhnungsgebühr ausgelöst.
3. Fortsetzung der Ehe
Rz. 434
Der Wille beider Ehegatten, die Ehe fortzusetzen, muss erkennbar sein und damit das Bild einer nicht mehr akut gefährdeten Ehe bestehen. Eine die Aussöhnungsgebühr auslösende Aussöhnung ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf dann nicht anzunehmen, wenn die Ehe nur fortgesetzt wird, um der Drohung eines Ehepartners, im Scheidungsfall belastende Tatsachen vorzutragen, entgegenzutreten. Eine Aussöhnung wird dann angenommen, wenn der Scheidungsantrag zurückgenommen wird und die Eheleute wieder zusammen leben. Die Aussöhnung darf nicht von nur kurzer Dauer sein, eine gemeinsame Urlaubsreise genügt, dabei reicht eine versuchsweise Aussöhnung nicht aus, sie muss aber auch nicht zwingend von Dauer sein. Das Ruhen des Verfahrens wegen der Aussöhnung kann ein Indiz für die Entstehung sein.
4. Mitwirkung des Rechtsanwalts
Rz. 435
Die Anforderungen an die Mitwirkung des Rechtsanwalts sind hoch, so dass die Aussöhnungsgebühr in der täglichen Praxis oft nur eine untergeordnete Rolle spielt, wobei sicherlich eine gewisse Hemmschwelle, "für die Aussöhnung von Ehepartnern" eine Gebühr zu berechnen, dazu beiträgt, dass diese Gebühr häufig in der Praxis nicht abgerechnet wird. Die Abgrenzung zur erforderlichen Mitwirkung ist dabei auch nicht ganz einfach, wobei die Mitwirkung nicht so weit gehen muss, dass der Rechtsanwalt beim Candle-Light-Dinner der Ehegatten Händchen hält.
Rz. 436
Für die geforderte Mitwirkung reicht es nicht aus, dass sich diese auf die prozessuale Umsetzung der Aussöhnung beschränkt. Ein Indiz für die Entstehung der Aussöhnungsgebühr könnte die Durchführung einer Beratung des Auftraggebers dahingehend sein, eine prozessuale Möglichkeit nicht auszuschöpfen, um die Aussöhnung nicht zu gefährden, bzw. um sie zu ermöglichen. Der Rechtsanwalt muss sich erfolgreich durch Beratung, schriftlich oder mündlich, bemüht haben, die Aussöhnung herbeizuführen. Dabei ist jedoch eine "irgendwie" ursächliche Mitwirkung ausreichend. Die Mitwirkung des RA kann auch bestehen in einer Förderung und Bestärkung vorhandener Bereitschaft, die anschließend tatsächlich zur Aussöhnung führt. Dabei ist die Mitwirkung vom Rechtsanwalt lediglich glaubhaft zu machen. Ausreichend für die Entstehung der Gebühr ist es,...