1. Auftragserteilung entscheidend
Rz. 624
Sehr häufig wird in der Praxis eine Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, die dann im Scheidungstermin protokolliert wird. Dabei ist für die Abrechnung einer solchen Tätigkeit von Bedeutung, welchen Auftrag der Mandant erteilt hat.
Rz. 625
Die Abrechnung in Familiensachen ist aber gerade deshalb komplex, weil die Beauftragung oft vielschichtig ist. Da erfolgt zunächst eine Beratung über die Möglichkeiten und Voraussetzungen zu einer Scheidung, zaghaft lässt der Mandant Unterhaltsansprüche berechnen und sich über mögliche Folgen der Scheidung beraten, weil er den endgültigen Schritt noch scheut. Die Lage spitzt sich zu, es wird eine außergerichtliche Vertretung in Teilbereichen erforderlich. Vielleicht muss die Ehewohnung zugewiesen werden oder der Ehegatte über die beabsichtigte Scheidung informiert und auf die Trennungsmodalitäten zur Einhaltung des Trennungsjahres hingewiesen werden (eine Aufgabe, die Mandanten auch gerne ihren Anwälten überlassen); beim Sorge- und Umgangsrecht kann sich die Situation auch dramatisch entwickeln, beim Trennungs- und Kindesunterhalt werden aufgrund der Eilbedürftigkeit vielleicht einstweilige Anordnungen notwendig. Erst im Laufe des Mandats wird so oft aus einem zunächst reinen Beratungsauftrag ein Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung bis hin zum Auftrag, einen Beteiligten im gerichtlichen Verfahren zu vertreten. Natürlich gibt es auch die Fälle, wo für den Auftraggeber vom ersten Besprechungstermin beim Rechtsanwalt an feststeht, dass die Scheidung betrieben werden soll. Die Auftragserteilung erfolgt daher individuell sehr unterschiedlich. Siehe hierzu auch die Ausführungen unter Rdn 22 ff. in diesem Kapitel.
Rz. 626
Praxistipp
Damit über die Auftragserteilung später kein Streit mit dem Auftraggeber entbrennt, sollte der erteilte Auftrag sorgfältig mit Datum zur Akte dokumentiert werden, bestenfalls wird der erteilten Auftrag in einem kurzen Anschreiben an den Mandanten nochmals schriftlich/in Textform festgehalten. So können auch etwaige Missverständnisse schnell geklärt werden.
Rz. 627
Formulierungsbeispiel
Sehr geehrte Frau Müller,
in obiger Angelegenheit komme ich zurück auf die heute in meiner Kanzlei geführte Besprechung. Sie wünschen, dass ich Ihre Trennungsunterhaltsansprüche berechne und gegenüber Ihrem getrennt lebenden Ehemann außergerichtlich geltend mache. Ich werde in den nächsten Tagen ein entsprechendes Schreiben auf den Weg bringen. Sie erhalten sodann eine Abschrift dieses Schreibens zu Ihrer Kenntnisnahme.
Ich darf nochmals kurz festhalten, dass ich Sie darauf hingewiesen hatte, dass sich die Gebühren in einer Unterhaltssache nach dem Gegenstandswert richten.
Für die Übertragung des Mandats danke ich Ihnen. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Zur Hinweispflicht betreffend den Gegenstandswert siehe § 4 Rdn 3 ff.
Rz. 628
Nach Ansicht der Verfasserin kann nur die genaue Dokumentation des erteilten Auftrags hinsichtlich jedes einzelnen Gegenstands eine Hilfe für die spätere Abrechnung darstellen. Wer kann sich schon noch nach einem halben Jahr daran erinnern, zu welchem Zeitpunkt genau der Mandant in dieser bestimmten Sache zu einem konkreten Regelungspunkt gesagt hat: "So – jetzt reicht‘s – jetzt gehen wir gerichtlich vor."
2. Gerichtlicher Auftrag
Rz. 629
Hat der Auftraggeber den Auftrag erteilt, eine Scheidungsfolgenvereinbarung zu schließen, um diese dann bei Gericht protokollieren zu lassen, entsteht aus den Werten, die von der Einigung umfasst werden, eine 0,8 Differenzverfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG neben der 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem Wert der nichtrechtshängigen Ansprüche. Nach § 15 Abs. 3 RVG dürfen jedoch beide Verfahrensgebühren zusammen nicht mehr ergeben, als eine Verfahrensgebühr nach dem Höchstsatz aus dem addierten Wert, vgl. dazu auch die obigen Ausführungen (siehe Rdn 509) und die Musterrechnungen (siehe Rdn 510).
Rz. 630
Kindermann stellt in ihrem Werk die Ansicht von Müller-Rabe dar, dass eine Vermutung dafür sprechen würde, dass eine zwischen den Beteiligten zu erzielende Einigung gerichtlich protokolliert werden sollte, so dass im Hinblick auf den zwingend notwendigen Prozessauftrag für die Scheidung lediglich ein einheitlicher Prozessauftrag erteilt würde, der auch die Gegenstände umfassen würde, die nicht rechtshängig werden. Ohne sich selbst festzulegen führt Kindermann weiter aus, dass, falls man von zwei Aufträgen ausgeht (außergerichtliche Tätigkeit betreffend die nicht rechtshängigen Ansprüche und gerichtliche Tätigkeit), zwei Abrechnungen zu erteilen wären. Einmal der außergerichtliche Auftrag über die Geschäftsgebühr und zum zweiten das gerichtliche Verfahren mit den Gebühren nach Teil 3. Nach meiner Auffassung sollte man genau dieses Problem der "Vermutung eines erteilten Auftrags" entgehen, indem der erteilte Auftrag dokumentiert wird.
Rz...