1. Prozessualer oder materiell-rechtlicher Anspruch?
Rz. 244
Man unterscheidet zwischen prozessualem und materiell-rechtlichem Kostenerstattungsanspruch. Ein Kostenerstattungsanspruch kann sich aus dem Verfahrensrecht ergeben (siehe oben) oder aber aus materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen wie zum Beispiel Verzug (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB), unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) oder einer Pflichtverletzung aus Vertrag.
Rz. 245
Entscheidung des BGH vom 20.10.2005:
Rz. 246
Auch in einer Mahnsache hält der BGH die Geschäftsgebühr nicht für festsetzbar:
Rz. 247
Da ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch des BGH zur Geschäftsgebühr verneint wurde, stellt sich die Frage, inwieweit ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gegeben sein könnte. Ist ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch anzunehmen, kann die Geschäftsgebühr nebst Auslagen und ggf. Umsatzsteuer mit eingeklagt werden.
2. Materiell-rechtlicher Anspruch
Rz. 248
Es stellt sich die Frage, ob vorprozessuale Anwaltskosten, die in Familiensachen angefallen sind, materiell-rechtlich erstattungsfähig sind. Ein Anspruch kann sich beispielsweise aus Verzug, §§ 280, 286 BGB ergeben. Da insbesondere bei anwaltlicher Tätigkeit in Unterhaltssachen der Verzug erst durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts herbeigeführt wird, stellt sich die Frage, ob Anwaltskosten erstattungsfähig sind, die vor Verzug entstanden sind. Nach Ansicht der Verfasserin sind jedoch die Kosten eines Anwalts gerade in Unterhaltssachen notwendig, da davon auszugehen ist, dass eine Partei in der Regel den Unterhalt nicht selbst berechnen kann und dabei auf anwaltliche Hilfe angewiesen ist. Folgt man diesem Argument nicht, kann hier zumindest analog auf § 93 ZPO zurückgegriffen werden. Dies würde bedeuten: Zahlt die Gegenseite den geforderten Unterhalt nach Aufforderung durch den Rechtsanwalt, scheidet eine Kostenerstattung aus. Dies ist jedoch in Unterhaltsangelegenheiten selten der Fall. In der Regel folgt dem ersten Aufforderungsschreiben mit Fristsetzung (dem möglicherweise eine Tätigkeit betreffend die Auskunftserteilung vorausging) mindestens ein weiteres. Spätestens dann müsste jedoch nach Ansicht der Verfasserin auch eine Erstattungspflicht der Gegenseite gegeben sein. Kindermann gibt zu bedenken, dass ein Gegner möglicherweise einwenden könne, den Mandanten treffe hinsichtlich des Umfangs der Tätigkeit ein Mitverschulden, wobei sie sich dafür ausspricht, diesen Einwand zu verwehren, da es der Unterhaltspflichtige selbst in der Hand hat, wie umfangreich die Angelegenheit wird, und dem Unterhaltsberechtigten nicht auferlegt werden könne, sich möglichst wenig um die Angelegenheit zu kümmern, um die Gebühren niedrig zu halten. Nicht haltbar ist nach Meinung der Verfasserin der Einwand, es hätte sogleich Verfahrensauftrag erteilt werden können, um die Gebühren niedrig zu halten, da bei einem Aufforderungsschreiben im Rahmen eines Verfahrensauftrags bei vorzeitiger Erledigung lediglich eine 0,8 Verfahrensgebühr anfalle (im Gegensatz zu einer 1,3 Geschäftsgebühr). Hierbei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bei einem Aufforderungsschreiben (mit Verfahrensauftrag) durch eine Besprechung im Sinne der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG eine 1,2 Terminsgebühr entstehen kann, und sich somit der Gebührenanfall auf 2,0 erhöhen kann. Welche Variante die "günstigere" ist, kann naturgemäß ex ante nicht immer gesagt werden. Und gerade in Familiensachen ist doch im Interesse einer Gerichtsentlastung und einer Vermeidung von "weiterem Zündstoff" zunächst eine außergerichtliche Tätigkeit angezeigt.
Rz. 249
Achtung!
Es ist darauf zu achten, dass hinsichtlich des Gebührensatzes keine Festlegung erfolgt, sondern für den Fall weitergehender Tätigkeit eine Nachliquidation ausdrücklich vorbehalten bleibt, da er sonst an sein einmal ausgeübtes Ermessen gebunden ist, § 315 Abs. 2 BGB.
Rz. 250
Ob sich eine Ersta...