Rz. 240
a) Allgemeines
Rz. 241
Verjährungsverzichtserklärungen gehören zum "unverzichtbaren Handwerkszeug eines jeden Juristen". Diese Erklärungen sind gerade aus der Personenschadenregulierung nicht wegzudenken – nicht zuletzt, um bei komplexen Rechtslagen, Warten auf anderweitige Entscheidungen (wie solcher von Drittleistungsträgern) und/oder zur Sachverhaltsbeurteilung (u.a. wirtschaftliche, gesundheitliche Entwicklung) benötigten Zeit eine gerichtliche Auseinandersetzung (u.U. mit dort dann erforderlichen Verfahrensaussetzungen; § 148 ZPO, § 108 SGB VII) zu vermeiden und die Angelegenheit außergerichtlich (z.B. durch Vergleich) einvernehmlich abzuschließen.
aa) Aktivlegitimation
Rz. 242
Hinweis
Zu unbefugten Gesprächsteilnehmern, falschen Beklagten und Zustellungsbevollmächtigten Rdn 836 ff.
Rz. 243
Ein Verjährungseinredeverzicht des Schädigers wird i.d.R. nur für den Fall erklärt, dass der Anspruchsteller (noch) forderungsberechtigt ist. Ist der Anspruchsteller (z.B. aufgrund einer cessio legis in Folge der Regulierung des Schadens durch einen Versicherer) nicht (mehr) forderungsberechtigt, greift die Einrede der Verjährung trotz erklärten Verzichts durch, auch wenn der Anspruchsteller später wieder forderungsberechtigt wird.
bb) Wirkung
Rz. 244
Durch einen vom Schuldner erklärten befristeten Verjährungsverzicht wird der Ablauf der Verjährung nicht beeinflusst. Der Verjährungsverzicht führt – anders als ein Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) – nicht zu einem Neubeginn der Verjährung. Folge des Verzichts ist jedoch, dass die Befugnis des Schuldners, die Einrede der Verjährung zu erheben, für den genannten Zeitraum ausgeschlossen ist.
Rz. 245
Ein befristeter Verjährungsverzicht des Schuldners soll dem Gläubiger im Zweifel nur die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs vor Ablauf der Verzichtsfrist ermöglichen. Eine Auslegungsregel, der Verzicht solle den Gläubiger im Zweifel so stellen, dass sämtliche während der Verzichtsfrist auftretende Tatbestände für eine Hemmung oder einen Neubeginn der Verjährung sich auch auf den Lauf der Verzichtsfrist auswirken, entbehrt der Grundlage.
Rz. 246
Ein Schuldner kann auf die Erhebung der Einrede der Verjährung durch einseitige Erklärung und schon vor deren Eintritt verzichten. Die Auslegung einer solchen empfangsbedürftigen Willenserklärung ist Sache des Tatrichters, der seine Entscheidung unter Berücksichtigung der §§ 133, 157 BGB aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände zu treffen hat. Es entspricht im Zweifel dem Grundsatz der interessengerechten Auslegung, einen nicht formularmäßigen Verjährungsverzicht über einen Anspruch auch auf solche Ansprüche zu erstrecken, die mit dem Anspruch konkurrieren oder wirtschaftlich an dessen Stelle treten, wenn sich ein gegenteiliger Parteiwille nicht feststellen lässt.