Rz. 240

 

Hinweis

Rdn 127 ff., Rdn 521 ff.

a) Allgemeines

 

Rz. 241

Verjährungsverzichtserklärungen gehören zum "unverzichtbaren Handwerkszeug eines jeden Juristen".[181] Diese Erklärungen sind gerade aus der Personenschadenregulierung nicht wegzudenken – nicht zuletzt, um bei komplexen Rechtslagen, Warten auf anderweitige Entscheidungen (wie solcher von Drittleistungsträgern) und/oder zur Sachverhaltsbeurteilung (u.a. wirtschaftliche, gesundheitliche Entwicklung) benötigten Zeit eine gerichtliche Auseinandersetzung (u.U. mit dort dann erforderlichen Verfahrensaussetzungen; § 148 ZPO, § 108 SGB VII) zu vermeiden[182] und die Angelegenheit außergerichtlich (z.B. durch Vergleich) einvernehmlich abzuschließen.[183]

[181] Windorfer, Der Verjährungsverzicht, NJW 2015, 3329.
[182] BGH v. 10.11.2020 – VI ZR 285/19 – BeckRS 2020, 32844 = IBR 2021, 46 (Anm. Rodemann) = NJW 2021, 461 (Anm. Jorzig) = VersR 2021, 265; BGH v. 7.5.2014/15.4.2015 – XII ZB 141/13 – MDR 2014, 920 = NJW 2014, 2267 = openJur 2014, 13642 = WM 2014, 2130 (Rn 19).
[183] Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 14 StVG Rn 47.

aa) Aktivlegitimation

 

Rz. 242

 

Hinweis

Zu unbefugten Gesprächsteilnehmern, falschen Beklagten und Zustellungsbevollmächtigten Rdn 836 ff.

 

Rz. 243

Ein Verjährungseinredeverzicht des Schädigers wird i.d.R. nur für den Fall erklärt, dass der Anspruchsteller (noch) forderungsberechtigt ist. Ist der Anspruchsteller (z.B. aufgrund einer cessio legis in Folge der Regulierung des Schadens durch einen Versicherer) nicht (mehr) forderungsberechtigt, greift die Einrede der Verjährung trotz erklärten Verzichts durch, auch wenn der Anspruchsteller später wieder forderungsberechtigt wird.[184]

[184] OLG Köln v. 26.6.2018 – 3 U 134/17 – BeckRS 2018, 28401 = NJOZ 2019, 932 = openJur 2019, 14615 = RdTW 2019, 181 (Anm. Ramming) = TranspR 2019, 24 (Vorinstanz RheinSchiffG Duisburg-Ruhrort, 26.9.2017 – 5 C 3/15 – BeckRS 2017, 155351) (Keine Wirkung eines Verjährungseinredeverzichts des Schädigers bei fehlender Aktivlegitimation des Anspruchstellers. Es kommt nicht darauf an, ob die Forderung infolge der später erteilten Genehmigung seitens des führenden Versicherers mit Rückwirkung wieder dem unmittelbar Geschädigten zustand.).

bb) Wirkung

 

Rz. 244

Durch einen vom Schuldner erklärten befristeten Verjährungsverzicht[185] wird der Ablauf der Verjährung nicht beeinflusst.[186] Der Verjährungsverzicht führt – anders als ein Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) – nicht zu einem Neubeginn der Verjährung.[187] Folge des Verzichts ist jedoch, dass die Befugnis des Schuldners, die Einrede der Verjährung zu erheben, für den genannten Zeitraum ausgeschlossen ist.[188]

 

Rz. 245

Ein befristeter Verjährungsverzicht des Schuldners soll dem Gläubiger im Zweifel nur die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs vor Ablauf der Verzichtsfrist ermöglichen. Eine Auslegungsregel, der Verzicht solle den Gläubiger im Zweifel so stellen, dass sämtliche während der Verzichtsfrist auftretende Tatbestände für eine Hemmung oder einen Neubeginn der Verjährung sich auch auf den Lauf der Verzichtsfrist auswirken, entbehrt der Grundlage.[189]

 

Rz. 246

Ein Schuldner kann auf die Erhebung der Einrede der Verjährung durch einseitige Erklärung und schon vor deren Eintritt verzichten.[190] Die Auslegung einer solchen empfangsbedürftigen Willenserklärung ist Sache des Tatrichters, der seine Entscheidung unter Berücksichtigung der §§ 133, 157 BGB aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände zu treffen hat. Es entspricht im Zweifel dem Grundsatz der interessengerechten Auslegung, einen nicht formularmäßigen Verjährungsverzicht über einen Anspruch auch auf solche Ansprüche zu erstrecken, die mit dem Anspruch konkurrieren oder wirtschaftlich an dessen Stelle treten, wenn sich ein gegenteiliger Parteiwille nicht feststellen lässt.[191]

[185] Siehe zum Rechtscharakter eines Verjährungsverzichtes BGH v. 17.12.2020 – I ZR 239/19 – GRUR 2021, 721 = GRUR-RS 2020, 44633 = MDR 2021, 633 = MMR 2021, 486; BGH v. 10.11.2020 – VI ZR 285/19 – BeckRS 2020, 32844 = IBR 2021, 46 (Anm. Rodemann) = NJW 2021, 461 (Anm. Jorzig) = VersR 2021, 265. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 14 StVG Rn 47 m.w.H.
[186] BGH v. 10.11.2020 – VI ZR 285/19 – BeckRS 2020, 32844 = IBR 2021, 46 (Anm. Rodemann) = NJW 2021, 461 (Anm. Jorzig) = VersR 2021, 265; BGH v. 1.10.2020 – IX ZR 247/19 – BB 2020, 2637 = DB 2020, 2514 = MDR 2020, 1433 = NJW 2021, 234 = WM 2020, 2073 = ZIP 2020, 2242.
[187] BGH v. 10.11.2020 – VI ZR 285/19 – BeckRS 2020, 32844 = IBR 2021, 46 (Anm. Rodemann) = NJW 2021, 461 (Anm. Jorzig) = VersR 2021, 265; BGH v. 18.9.2007 – XI ZR 447/06 – BauR 2008, 138 = BB 2007, 2591 = DB 2007, 2649 = DNotZ 2008, 277 = FamRZ 2008, 49 = MDR 2008, 94 = NJW-Spezial 2007, 573 = VersR 2008, 366 = WM 2007, 2230 = ZfBR 2008, 152 = ZIP 2007, 2206 (Rn 16; für unbefristeten Verzicht).
[188] BGH v. 17.12.2015 – IX ZR 61/14 – DB 2016, 345 = MDR 2016, 418 = NJW 2016, 1171 = openJur 2016, 161 = WM 2016, 172 = ZIP...

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