Rz. 821

Für eine Verwirkung ist der Zeitablauf, während dem der Anspruchsberechtigten über einen längeren Zeitraum dem Anspruchsgegner gegenüber untätig bleibt, nur eine von mehreren Voraussetzungen.

 

Rz. 822

Neben das Zeitmoment tritt das Umstandsmoment: Es müssen besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen.[792] Es müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende, Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.[793]

 

Rz. 823

Bloßes Nichtstun als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus. Es muss konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukommen, welches beim Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird.[794] Gerade mit Blick auf § 115 Abs. 2 S. 3 VVG (§ 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.) ist zu sehen, dass es der Inanspruchgenommene häufig selbst in der Hand hat, Hemmungswirkungen zu beseitigen.[795] Der entscheidende Grund für den eintretenden Rechtsverlust ist, dass die verspätete Geltendmachung des Rechtes wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheint.[796]

[792] BAG v. 25.4.2001 – 5 AZR 497/99 – DB 2001, 1833 = MDR 2001, 1302; BGH v. 14.11.2002 – VII ZR 23/02 – MDR 2003, 207 = NJW 2003, 824; OLG Hamm v. 10.9.2001 – 13 U 30/00 – r+s 2002, 227 = VersR 2002, 565.
[793] BGH v. 18.1.2001 – VII ZR 416/99 – BauR 2001, 784 = BGHReport 2001, 367 = MDR 2001, 746 = NJW 2001, 1649 = ZfBR 2001, 313 m.w.N.
[794] BSG v. 1.7.2010 – B 13 R 67/09 R – Breith 2011, 130 = SozR 4–2400 § 24 Nr. 5, BSG v. 23.5.1989 – 12 RK 23/88 – HV-Info 1989, 2030, BSG v. 30.11.1978 – 12 RK 6/76 – BSGE 47, 194 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 17.
[795] OLG Schleswig v. 18.7.2001 – 9 U 95/00 – OLGR 2001, 465 = SchlHA 2002, 43 = VersR 2001, 1231 (Bei Vorliegen besonderer Umstände kann Verwirkung anzunehmen sein. Konkret ruhte die Korrespondenz über 19 Jahre.); ähnlich OLG Celle v. 22.5.2003 – 14 U 253/00; LG Wuppertal v. 18.8.1999 – 4 O 181/99 – SP 2001, 69. Siehe auch BGH v. 14.12.1976 – VI ZR 1/76 – NJW 1977, 674 = VersR 1977, 335.
[796] BGH v. 11.2.1992 – VI ZR 133/91 – DAR 1992, 173 = NJW 1992, 1755 = NZV 1992, 274 = VersR 1992, 627 = VRS 83, 118 = zfs 1992, 152; BSG v. 20.5.1958 – 2 RU 285/56 – JR 1959, 356 (Keine Verwirkung, wenn der Berechtigte sich zunächst bemüht, von einem anderen außerhalb der Sozialversicherung Stehenden Leistungen zu erhalten); OLG Hamm v. 10.9.2001 – 13 U 30/00 – r+s 2002, 227 = VersR 2002, 565 (Fehlende Bildung von Rückstellung durch den Versicherer stellt für sich noch keine Härte dar); OLG Köln v. 15.9.1995 – 20 U 206/94 – VersR 1996, 240.

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