Rz. 348
Grob fahrlässige Unkenntnis schadet auch Drittleistungsträgern (z.B. Sozialversicherung, Sozialhilfeträger, beamtenrechtlicher Dienstherr). Nachdem in der Gesetzesbegründung auch das Vertrauen in das Nichtverfolgen von Ansprüchen (u.a. auch mit Blick auf die stark verkürzte Verjährung eines möglichen Gesamtschuldnerausgleiches) und die Dispositionsfreiheit des Schadenersatzschuldners als schützenswertes Gut des Schadenersatzschuldners ausdrücklich herausgestellt werden,[290] müssen auch verwaltungsinterne Informationsdefizite und Versäumnisse[291] zulasten des Gläubigers bereits unter Aspekt der groben Fahrlässigkeit durchschlagen, ohne dass im Einzelfall dann auf § 242 BGB (z.B. unter dem Aspekt der Verwirkung) zuzugreifen wäre.
Rz. 349
Zu berücksichtigen sind grob fahrlässiges Verhalten der Regressabteilung, des dort zuständigen Sachbearbeiters, aber auch der Verwaltung insgesamt (z.B. in der Form des Organisationsverschuldens).[292]
Rz. 350
Beim Drittleistungsregress (z.B. SVT,[293] Träger der Sozialhilfe, beamtenrechtlicher Dienstherr) ist insbesondere ein Organisationsverschulden zu beachten, wenn beispielsweise keine generelle Vorsorge dafür getroffen wird, dass die Leistungsabteilungen die mit der Durchführung von Regressen beauftragten Personen nicht oder nicht rechtzeitig über Rückgriffsmöglichkeiten informieren (Organisationsverschulden).
Rz. 351
Das Fehlen eines verlässlichen Informationsflusses in einer Behörde mit verschiedenen Abteilungen deutet auf eine grob fahrlässige Unkenntnis des Bestehens eines Regressanspruches hin.[294]
Rz. 352
Zum Zusammenspiel im Rahmen von § 119 Abs. 2 SGB X siehe Lemcke.[295]
Rz. 353
Es gelten die Grundsätze der sekundären Darlegungslast.[296] Nach längerem Zeitablauf ist es Sache des Drittleistungsträgers (z.B. SVT) näher darzulegen, woran es gelegen hat, dass Ersatzansprüche erst spät angemeldet wurden.[297] Gerade SVT und Dienstherrn sind professionelle Regressgläubiger, bei denen der Informationsfluss zwischen Leistungs- und Regressabteilung eine adäquate Organisation bedingt.[298]
Rz. 354
Überlastung der Regresssachbearbeiter oder mangelnde Qualifikation stehen einer Bejahung der grob fahrlässigen Unkenntnis nicht entgegen.[299]
Rz. 355
Werden beispielsweise Sachbearbeiter von Leistungsabteilungen oder Behörden nicht dahingehend geschult oder nachhaltig unterrichtet, dass bei fremdverursachten Leistungen auch Rückgriffsmöglichkeiten gegen den Verantwortlichen bestehen könnten (und bei Fehlen von Regresssachbearbeitern dann die Angelegenheit zur Prüfung an die Rechtsabteilung oder einen Rechtskundigen abzugeben ist), liegt in dieser mangelnden Vorsorge für Regressmöglichkeiten ein grob fahrlässiges Fehlverhalten.
Rz. 356
Eine den Verjährungsbeginn auslösende, weil auf grober Fahrlässigkeit beruhende, Unkenntnis der Gläubigerseite kann auch darin liegen, dass der Gläubiger auf der Hand liegende, leicht zugängliche Informationsquellen, die weiterführende Erkenntnisse über die anspruchsbegründenden Umstände erwarten lassen, nicht genutzt hat. Entsprechendes gilt, wenn von dritter Seite angebotene Erkenntnismöglichkeiten nicht innerhalb angemessener Zeit oder offenkundig nur unvollständig genutzt wurden.[300]
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