I. Amtsprüfung
Rz. 810
Verwirkung und Verjährung sind verschiedene Möglichkeiten der Rechtsentgegnung aufgrund Zeitenlaufes. Von der Verjährung unterscheidet sich die Verwirkung zunächst dadurch, dass sie von Amts wegen, die Verjährung aber nur auf die ausdrücklich erhobene (Partei)Einrede zu berücksichtigen ist.[775]
Rz. 811
Zur Beurteilung, ob Verwirkung eingetreten ist, sind die besonderen Umstände des Falles tatrichterlich zu würdigen.[776]
II. Inhalt
Rz. 812
Die Verwirkung schließt – als ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) – die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten aus.[777] Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient – wie die Verjährung – dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
Rz. 813
Mit der Verwirkung soll das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden; die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen.[778]
Rz. 814
Auf konkrete Vertrauensinvestitionen des Schuldners bzw. auf das Entstehen besonderer Nachteile durch die späte Inanspruchnahme kommt es nicht an.[779] Entscheidend für den eintretenden Rechtsverlust ist, dass die verspätete Geltendmachung des Rechtes wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheint.[780]
III. Voraussetzungen
Rz. 815
Hinzuweisen ist auf den Umstand, dass wiederkehrende Leistungen einer verkürzten Verjährung trotz unverjährtem Stammrecht unterliegen (Rdn 644 ff.).
1. Allgemeines
Rz. 816
Die Verwirkung eines Anspruches kann vor der Verjährung des Anspruches eintreten.[781] Es gilt die allgemeine Regel, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung ist, je kürzer die Verjährungsfrist ist.[782] Vor Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist tritt Verwirkung deliktischer Ansprüche i.d.R. nicht ein.[783]
Rz. 817
Vor Fälligkeit kann ein Anspruch nicht verwirkt sein.[784]
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