Rz. 936
Verwirkung und Verjährung sind verschiedene Möglichkeiten der Rechtsentgegnung aufgrund Zeitenlaufes. Unabhängig von Verjährung kann ein Anspruch verwirkt sein. Verwirkung ist ein Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung. Neben dem Ausschlusstatbestand u.a. des § 15 StVG (Rdn 959 ff.) kommen allgemeine Grundsätze zur Anwendung.
I. Amtsprüfung
Rz. 937
Von der Verjährung unterscheidet sich die Verwirkung zunächst dadurch, dass die Verwirkung von Amts wegen, die Verjährung aber nur auf die ausdrücklich erhobene (Partei)Einrede zu berücksichtigen ist.
Rz. 938
Zur Beurteilung, ob Verwirkung eingetreten ist, sind die besonderen Umstände des Falles tatrichterlich zu würdigen.
II. Inhalt
Rz. 939
Die Verwirkung schließt – als ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) – die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten aus. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient – wie die Verjährung – dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
Rz. 940
Mit der Verwirkung soll das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden. Die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen.
Rz. 941
Auf konkrete Vertrauensinvestitionen des Schuldners bzw. auf das Entstehen besonderer Nachteile durch die späte Inanspruchnahme kommt es nicht an. Entscheidend für den eintretenden Rechtsverlust ist, dass die verspätete Geltendmachung des Rechtes wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheint. Der Verpflichtete muss sich im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Es kommt nicht auf konkrete Vertrauensinvestitionen des Schuldners bzw. auf das Entstehen besonderer Nachteile durch die späte Inanspruchnahme an.
III. Voraussetzungen
Rz. 942
Vor Fälligkeit kann ein Anspruch nicht verwirkt sein. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass wiederkehrende Leistungen einer verkürzten Verjährung trotz unverjährtem Stammrecht unterliegen (Rdn 732 ff.).
1. Allgemeines
Rz. 943
Die Verwirkung eines Anspruches kann vor der Verjährung des Anspruches eintreten. Es gilt die allgemeine Regel, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung ist, je kürzer die Verjährungsfrist ist.
Rz. 944
Vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist tritt Verwirkung delik...