Rz. 2
Allein der Zeitablauf kann unabhängig vom Parteiwillen kraft Gesetzes die Rechtslage verändern, und zwar
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zum einen zur Sicherung des Rechtsverkehrs, |
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zum anderen im öffentlichen Interesse an einer beschleunigten Abwicklung von Rechtsverhältnissen. |
1. Schuldnerschutz
Rz. 3
Die Geltendmachung der Verjährung ist vor allem ein Recht des Schuldners, das aus dem Verhalten des Gläubigers erwächst. Werden Ansprüche jahrelang nicht verfolgt, ist der Schuldner vor ihrer Durchsetzung zu schützen, weil sie vermutlich nicht oder nicht mehr gerechtfertigt sind. Bezüglich der Frage eines Forderungsüberganges und der Höhe der Ansprüche ist ein Schuldner häufig nicht schutzwürdig.
Rz. 4
Beruft sich der Leistungsverpflichtete auf Verjährung, kann dieses zwar im Einzelfall bedeuten, dass der Anspruchsberechtigte um sein unzweifelhaft gutes Recht gebracht wird. Das muss jedoch hingenommen werden, da es Sache des Berechtigten gewesen wäre, seinen Anspruch rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung (z.B. durch eine Feststellungsklage; dazu Rdn 711 ff.) zu sichern. Der Verjährungseinwand seitens des Schuldners (Schädigers) ist nicht bereits deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Verjährung den Verletzten besonders hart trifft. Die Berufung auf die Verjährung ist – für sich betrachtet – weder amoralisch noch anstößig, sondern rechtlich seit über 100 Jahren verbrieft und daher nur im Einzel- und Ausnahmefall unzulässig oder als treuwidrig zu beanstanden.
Rz. 5
BGH v. 25.7.2017 führt aus:
Zitat
Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Schuldnerschutzes, des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit.
Rz. 6
In BGH v. 22.2.2018 heißt es:
Zitat
Das entspricht dem Zweck des Verjährungsrechts. Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Rechtsfriedens und des Schuldnerschutzes. Sie soll den Schuldner davor bewahren, noch längere Zeit mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen überzogen zu werden. Das Verjährungsrecht stellt die Vermutung auf, dass ein Anspruch, der aus weit zurückliegendem Entstehungsgrund erhoben wird, möglicherweise nie entstanden oder bereits erloschen ist. Dies soll dem Schuldner die Möglichkeit geben, einen Anspruch abzuwehren, ohne ihn inhaltlich bekämpfen zu müssen. Sollte der Anspruch doch bestehen, hat der Berechtigte den Nachteil der Verjährung durch seine Nachlässigkeit i.d.R. selbst verschuldet. Das Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners erwächst aus dem Verhalten des Gläubigers.
2. Interessenabwägung
Rz. 7
In der Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz verdeutlichte der Gesetzgeber die Interessenabwägung zwischen Schuldner und Gläubiger bei der Verjährung.
a) Gläubiger
Rz. 8
Dem Gläubiger eines Anspruches soll eine "faire Chance" eröffnet werden, seinen Anspruch geltend zu machen und durchzusetzen. Dazu muss er ausreichend Gelegenheit haben, Bestand und Berechtigung seiner Ford...