1. Hemmung bei Verhandlung
a) § 203 BGB
Rz. 564
§ 203 BGB – Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen
1Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.
2Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.
Rz. 565
Solange zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, ist die Verjährung solange gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. § 203 S. 1 BGB übernimmt die Gedanken (vor-)bestehender spezialrechtlicher Vorschriften (vor allem § 852 Abs. 2 BGB a.F., siehe auch §§ 209 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, 639 Abs. 2, 651g Abs. 2 S. 3 BGB a.F., § 439 Abs. 3 HGB, § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.) ganz allgemein in das Verjährungsrecht.
aa) Formalien
Rz. 566
Die gesetzliche Neuregelung sieht ausdrücklich davon ab, Beginn und Ende der Verhandlungen besonders zu beschreiben oder eine Schriftform generell festzulegen, da die Art und Weise, wie über streitige oder zweifelhafte Ansprüche verhandelt werden könne, so vielgestaltig ist, dass sie sich einer weitergehenden Regelung entzieht.
Rz. 567
Spezialvorschriften (wie § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.; dazu Rdn 585 ff.) können allerdings Formvorgaben beinhalten.
bb) Schwebende Verhandlung
Rz. 568
Schweben zwischen dem Ersatzberechtigten und dem Ersatzpflichtigen Verhandlungen über den zu leistenden Schadenersatz, ist die Verjährung gehemmt, bis eine der verhandelnden Parteien die Fortsetzung der Verhandlung ablehnt (§ 203 BGB). Die Hemmung wegen schwebender Verhandlungen zwischen den Parteien ist möglich ungeachtet der Erklärung, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Verjährungseinrede zu verzichten.
Rz. 569
Die an eine Verhandlung i.S.v. § 852 Abs. 2 BGB a.F. begrifflich und inhaltlich gestellten Voraussetzungen und Bedingungen sind auf das Verjährungssystem allgemein übertragen.
Rz. 570
Verhandlungen schweben, wenn ein Austausch von Meinungen über den Schadenfall vorliegt, angesichts dessen der Berechtigte davon ausgehen kann, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird. Nicht erforderlich ist das Signalisieren einer Vergleichsbereitschaft oder eines Entgegenkommens. Der Begriff der "Verhandlung" ist weit zu verstehen; ausreichend ist ein Meinungsaustausch über den Schadenfall, wenn nicht erkennbar die Verhandlung über die Ersatzpflicht oder jeder Ersatz verneint wird. Für das Vorliegen von die Verjährung hemmenden Verhandlungen reicht aus, wenn der Berechtigte Anforderungen an den Verpflichteten stellt und dieser nicht sofort ablehnt, sondern sich auf Erörterungen einlässt. Antwortet der Verpflichtete auf die Mitteilung des Berechtigten alsbald in solcher Weise, dass dieser annehmen darf, der Verpflichtete werde i.S.e. Befriedigung der Ansprüche Entgegenkommen zeigen, tritt eine Verjährungshemmung ein, die auf den Zeitpunkt der Anspruchsanmeldung zurückzubeziehen ist.
Rz. 571
Bloße Verjährungsverzichtserklärungen sind keine Verhandlungen.
Rz. 572
Beschränken sich die Verhandlungen auf einen abgetrennten Anspruchsteil (auch Rdn 540), kann hinsichtlich des anderen Teils eine Hemmung entfallen. Die Annahme einer Begrenzung der verjährungshemmenden Wirkung von Verhandlungen nur auf einen Teil des Schadens kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sich dieser Beschränkungswille aus der Anspruchsanmeldung eindeutig ergibt.