Rz. 870
Hinweis
Zu Detailfragen zum Vorbehalt § 2 Rdn 1146 ff.
Rz. 871
Der Abfindungsvergleich beendet (spätestens) die Verjährungshemmung, die mit der Anmeldung von Ersatzansprüchen nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. begonnen hatte.
Rz. 872
Akzeptiert nach einem Unfall der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in einer Abfindungserklärung des Geschädigten einen auf den materiellen Zukunftsschaden gerichteten Vorbehalt, liegt darin allein auch dann keine konstitutive Befreiung von der Verjährungseinrede, wenn damit zu rechnen ist, dass weitere Unfallfolgen erst nach mehr als drei Jahren auftreten können.
Rz. 873
Unerheblich ist, dass ein Vorbehalt vom Schadenersatzpflichtigen in den Vergleichstext aufgenommen wurde, da es für den Erklärungsinhalt unerheblich ist, wer (Anspruchsteller selbst, sein Anwalt oder der Regulierungsbeauftragte des Schädigers oder dessen Versicherers) den Vorbehalt in den Vergleichstext geschrieben hat.
Rz. 874
Die Abfindungsvereinbarung an sich enthält kein selbstständiges (konstitutives) Anerkenntnis i.S.v. § 781 BGB. Die Teilabfindung stellt lediglich ein Anerkenntnis i.S.v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB (§ 208 BGB a.F.) dar mit der Konsequenz, dass die Verjährungsfrist nach Ende der Hemmung unterbrochen wird und eine neue dreijährige Frist ab Vergleichsschluss zu laufen beginnt.
Rz. 875
Das OLG Schleswig führt wie folgt aus:
Zitat
"Der vereinbarte Vorbehalt aus der Abfindungsvereinbarung v. 25.1.1995 für alle materiell-rechtlichen Ansprüche aus dem Verkehrsunfall v. 17.5.1992 hat für die Verjährung der Ansprüche keine Bedeutung. Erforderlich ist vielmehr, dass der Spätschadenvorbehalt mit einem entsprechenden Verjährungsverzicht verbunden wird. Allein die Aufnahme eines Vorbehalts bedeutet noch keine konstitutive Befreiung von der Verjährungseinrede, selbst wenn damit zu rechnen ist, dass weitere Unfallfolgen erst nach mehr als 3 Jahren auftreten werden. Die bei der Abfindungsvereinbarung anwaltlich vertretene Klägerin hätte deshalb entweder ihre Feststellungsklage weiter verfolgen müssen oder aber die Beklagte zur Abgabe einer eindeutigen Anerkenntniserklärung bzw. zu einem noch bis zur Klagerhebung wirkenden Verzicht auf die Einrede der Verjährung veranlassen müssen. Der Rechtsanwalt des Geschädigten muss daher – auch zur Vermeidung einer eigenen Haftung – dafür Sorge tragen, dass künftige Ansprüche des Geschädigten nicht in die Verjährungsfalle laufen. Dazu kann er entweder einen Verjährungsverzicht oder aber ein sog. "titelersetzendes Anerkenntnis" in den Abfindungsvergleich aufnehmen lassen. Bei letzterem handelt es sich um eine Formulierung, die zumindest die verjährungsrechtlichen Wirkungen eines Feststellungsurteils sicherstellen soll. Anders als beim Verjährungsverzicht werden bei einem titelersetzenden Anerkenntnis die Ansprüche zwar 30 Jahre lang offen gehalten, der weitere Schaden ist allerdings spätestens 3 Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte Kenntnis davon erlangt hat, geltend zu machen."
Rz. 876
Der Lauf der Verjährung ist nur ausnahmsweise durch ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) gehemmt. Für eine an § 242 BGB ausgerichtete Auslegung der wechselseitigen Erklärungen reicht es für die Annahme eines Verjährungsverzichtes nicht aus, dass ein solcher Verzicht auf die Verjährungseinrede "sinnvoll" gewesen wäre.
Rz. 877
Ausnahmsweise kann stillschweigend ein Verjährungsverzicht vereinbart sein.
Rz. 878
Der Vortrag, dass es unüblich (gewesen) sei, in eine Abfindungserklärung eine Verjährungs- oder Äquivalenzklausel aufzunehmen, ist rechtlich ohne Belang.
Rz. 879
Die Erhebung der Verjährungseinrede kann nur unter strengen Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein. Die Grundsätze von Treu und Glauben stehen der Einrede nur dann entgegen, wenn der Ersatzverpflichtete beim Schadenersatzgläubiger das Vertrauen erweckt, dass er dessen Anspruch mit materiellen Einwendungen bekämpfen werde, so dass es nicht der gerichtlichen Geltendmachung vor Eintritt der Verjährung bedürfe.
Rz. 880
Ist der Geschädigte anwaltlich vertreten, ist dieses letztlich zulasten des Geschädigten im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer des Schädigers zu berücksichtigen: Der Haftpflichtversicherer des Schädigers ist dem anwaltlich vertretenen Geschädigten gegenüber nicht zur Aufklärung und Beratung verpflichtet. Siehe auch Rdn 459; § 2 Rdn 943.
Rz. 881
Der Verletzte muss, will er einen langfristigen Ausschluss der Verjährungsrede erreichen, Feststellungsklage erheben oder ausdrücklich eine adäquate Erklärung des Anspruchsgegners einfordern.
Rz. 882
Die Verjährungsfrist ist nicht nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. gehemmt. Mit der Abfindungserklärung wird die bis zu diesem Zeitpunkt mögliche Schadenregulierung endgültig zum Abschluss gebracht, so dass bereits von daher ein schriftlicher Bescheid entbehrlich ist.
Rz. 883
Zahlungen seitens des Ersatzpflichtigen zu Zeitpunkten,...