Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 43
Die Auskunftsbefugnisse der Träger der Rentenversicherungen als Auskunftsstellen sind in § 74a Abs. 2 SGB X geregelt. Danach dürfen zur Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Einzelfall auf Ersuchen des Gerichtsvollziehers
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die derzeitige Anschrift des Betroffenen, |
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seinen derzeitigen oder zukünftigen Aufenthaltsort sowie |
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Namen, Vornamen oder Firma und Anschriften seiner derzeitigen Arbeitgeber |
übermitteln, soweit kein Grund zu der Annahme besteht, dass dadurch schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden und das Ersuchen nicht länger als sechs Monate zurückliegt.
Rz. 44
Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sind über § 74a Abs. 2 S. 2 SGB X hinaus zur Übermittlung auch dann nicht verpflichtet, wenn sich die ersuchende Stelle die Angaben auf andere Weise beschaffen kann. Die Übermittlung nur unter den in § 74a Abs. 2 S. 3 SGB X genannten Voraussetzungen ist zulässig. Diese Voraussetzungen knüpfen an § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO an. Der Gerichtsvollzieher hat in seinem Ersuchen zu bestätigen, dass diese Voraussetzungen vorliegen.
Rz. 45
Der Gerichtsvollzieher darf zunächst bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung den Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Schuldners erheben. Er kann sich dazu an jeden beliebigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung wenden und muss nicht den tatsächlich für den Schuldner zuständigen Träger der Rentenversicherung ermitteln. Ziel ist die Ermittlung des Arbeitsgebers, um dort eine Lohnpfändung auszubringen.
Rz. 46
Hinweis
Wird eine Lohnpfändung ausgebracht, muss der Gläubiger im weiteren Verfahren seine Auskunftsrechte gegenüber dem Drittschuldner nach § 840 ZPO sowie den mitgepfändeten Nebenrechten ebenso nutzen wie seine Auskunfts- und Herausgabeansprüche gegenüber dem Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO. Auf diese Weise kann der Gläubiger die Lohnabrechnung erlangen, mit der beispielhaft die richtige Berechnung des Nettolohns, die Berücksichtigung von Naturalleistungen, der allein zum Nachteil des Gläubigers vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel, der Ausweis einer betrieblichen Altersvorsorge oder von vermögenswirksamen Leistungen zu prüfen ist. Eine dort ausgewiesene Bankverbindung kann Grundlage einer weitergehenden Kontopfändung sein, so dass es der gleichzeitigen – erneut kostenintensiven – Auskunftsanfrage beim Bundeszentralamt für Steuern nicht bedarf.
Rz. 47
Seit dem 1.1.2022 werden auch berufsständische Versorgungswerke i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von der Auskunftspflicht nach § 802l Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfasst. Dies betrifft Ärzte, Tierärzte, Apotheker, Notare, Rechtsanwälte, Architekten und Steuerberater – unabhängig davon, ob der Schuldner in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder selbstständig ist. Bei diesem Personenkreis würde eine Anfrage bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung ergebnislos verlaufen. Die neu geschaffene Abfragemöglichkeit erweitert die Informationsgrundlagen für den Gläubiger. Die Option der Datenerhebung bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung schließt eine Anfrage bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung aber nicht aus, ebenso nicht die Anfrage bei einer weiteren Versorgungseinrichtung.
Rz. 48
§ 802l Abs. 1 S. 3 ZPO stellt zusätzliche prozedurale Anforderungen an die Darlegung durch den Gläubiger und die Überprüfung durch den Gerichtsvollzieher. Die Erhebung der Daten bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist nur zulässig, wenn der Gläubiger die berufsständische Versorgungseinrichtung bezeichnet und tatsächliche Anhaltspunkte nennt, die nahelegen, dass der Schuldner Mitglied dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung ist. Das Erfordernis der Benennung von Anhaltspunkten soll der Konkretisierung dienen. Dadurch sollen Erhebungen "ins Blaue hinein" ausgeschlossen werden. Die Anforderungen an die Anhaltspunkte sollen auch unverhältnismäßig hohe Kosten in Form von Gebühren verhindern, die im Ergebnis vom Vollstreckungsschuldner zu tragen sind. Die Anhaltspunkte müssten sich auf den Beruf und den Ort der Versorgungseinrichtung beziehen. Der Gläubiger hat dem Gerichtsvollzieher die Anhaltspunkte vorzulegen oder zugänglich zu machen (etwa Schriftstücke, Auszüge, Kopien zu präsentieren oder einen Link zu einer Website zu senden). Der Begriff des "Nennens" impliziert, dass der Gläubiger die Darlegungslast trägt; der Gerichtsvollzieher ermittelt etwaige Anhaltspunkte nicht von selbst. Es genügt, dass ihm die Richtigkeit der Anhaltspunkte glaubhaft gemacht wird. Amtsbekannte Anhaltspunkte sind zu berücksichtigen.
Rz. 49
Hinweis
Nicht ausreichend sind "allgemeine Rückschlüsse", „die einen Bezug zum konkreten Einzelfall vermissen. Die Feststellung etwa, der Schuldner habe Jura studiert, lässt keinen Schluss auf den Beruf des Rechtsanwalts zu. Der Gesetzgeber erachtet nur "t...