Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 1
§ 802l ZPO ist eine praktisch sehr bedeutende Erweiterung der Befugnisse des Gerichtsvollziehers. Hiermit wird die Möglichkeit geschaffen, über den Gerichtsvollzieher Auskünfte zu einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis des Schuldners bei den Trägern der Rentenversicherung und bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen, Informationen über die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs beim Bundeszentralamt für Steuern und über ein vom Schuldner gehaltenes Fahrzeug beim Kraftfahrtbundesamt einzuholen. Bei diesen Stellen können nach der Lebenserfahrung typischerweise Informationen zu Vermögenswerten vorliegen. Durch die am 26.11.2016 in Kraft getretene Änderung ist die Wertgrenze von 500,00 EUR entfallen. Bei Anträgen von Sozialversicherungsträgern war bislang die Regelung in § 74a Abs. 2 S. 1 SGB X zu beachten. Die dort vorgesehene Wertgrenze ist mit Wirkung zum 1.7.2020 aufgehoben worden. Mit Wirkung zum 1.1.2022 hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine Auskunft neu strukturiert und dabei um die Fälle erweitert, in denen der Aufenthaltsort des Schuldners unbekannt ist, und die Regelung auf Auskünfte über berufsständische Versorgungen erstreckt. Mit Wirkung zum 1.11.2022 ist § 98 Abs. 1a InsO in Kraft getreten, der eine Drittauskunft auch im Insolvenzverfahren ermöglicht.
Rz. 2
Die Vermögensauskunft Dritter steht neben der ersten und wiederholten Vermögensauskunft des Schuldners nach §§ 802c und d ZPO, dem Fragerecht des Gerichtsvollziehers nach § 806a ZPO und den Auskunftssystemen der Forderungspfändung (§§ 836 Abs. 3, 840 ZPO sowie die Informationsrechte aus mitgepfändeten Nebenrechten) sowie den unberührt fortbestehenden Möglichkeiten der außergerichtlichen Informationsbeschaffung aus öffentlichen Quellen und der Selbstauskunft des Schuldners im schriftlichen, fernmündlichen oder persönlichen (Außendienst) Austausch.
Rz. 3
Hinweis
Es muss eine Kosten/Nutzen-Abwägung im Einzelfall stattfinden und abgewogen werden, ob andere Alternativen kostengünstiger die gleiche Information liefern können oder für den gleichen finanziellen Aufwand ein Mehr bieten. Hier bieten sich zumindest vor der Beauftragung des Gerichtsvollziehers der Einsatz des Callcenters und in einer weiteren Eskalationsstufe des Außendienstes mit Ermittlungen beim Schuldner, aber auch in dessen Umfeld, an.
Rz. 4
Die Besonderheit der Vermögensauskunft Dritter nach § 802l ZPO besteht darin, dass objektive Daten ermittelt werden. Unzureichende Angaben des Schuldners in der Vermögensauskunft werden erkennbar. Manipulationsversuchen des Schuldners, jedenfalls soweit es um die Angabe des Arbeitgebers, des Kontos und eines Kraftfahrzeuges geht, kann leichter entgegengetreten werden. Die Strafbarkeit nach § 156 StGB ist so leichter nachweisbar, was über § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 156 StGB auch zivilrechtliche Vorteile mit sich bringt und zu einer erleichterten Zwangsvollstreckung (§ 850f Abs. 2 ZPO) und einer erschwerten Restschuldbefreiung (§ 302 InsO) führt. Dies kann auch eine präventive Wirkung haben. Ist dem Schuldner die objektive Kontrolle seiner Angaben bewusst, nachdem er vom Gerichtsvollzieher und gegebenenfalls dem Gläubiger hierauf hingewiesen wurde, kann allein dieser Umstand dazu führen, dass die Qualität der Vermögensauskunft steigt oder auch freiwillig brauchbare Selbstauskünfte erteilt werden. Diese Hoffnung hegt jedenfalls der Gesetzgeber. Der Gläubiger sollte mit dem Gerichtsvollzieher alle Anstrengungen unternehmen, damit dies dem Schuldner bewusst wird.
Rz. 5
Hinweis
Liegen die Voraussetzungen zur Einholung einer Vermögensauskunft Dritter vor, ohne dass der Schuldner unmittelbar zuvor eine Vermögensauskunft abgeben sollte oder abgegeben hat, kann mit der isolierten Einholung der Auskünfte auch ein Überraschungseffekt verbunden sein.