Rz. 47

 

Ziff. 2.1.2.2. AUB 08/99

§ 7 I (2) AUB 94/88

§ 8 II AUB 61

a) Allgemeines

 

Rz. 48

Grundlage für die Berechnung der Leistung bilden die Versicherungssumme und der Grad der unfallbedingten Invalidität. Bei allen Bedingungswerken gilt eine Gliedertaxe. Für Verletzungen von nicht in der Gliedertaxe genannten Körperteilen erfolgt eine Bewertung außerhalb der Gliedertaxe. Eine Bewertung nach der Gliedertaxe geht einer Bewertung außerhalb der Gliedertaxe vor.[62] Für die AUB 08/99 und AUB 94/88 ist die dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit zu bewerten.

Bei den AUB 61 wird auf die dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit abgestellt. Die AUB 61 sprechen von Ganzinvalidität (100 %) bzw. Teilinvalidität (< 100 %); die Gebrauchsfähigkeit entspricht insoweit der Funktionsbeeinträchtigung und stellt letztlich nur eine begriffliche Besonderheit dar.

[62] OLG Celle 9.1.1991 – 8 U 72/90, r+s 1991, 179.

b) Bewertung nach der Gliedertaxe

 

Rz. 49

 

Ziff. 2.1.2.2.1 AUB 08/99

§ 7 I (2) a, b AUB 94/88

§ 8 II (2) AUB 61

aa) Allgemeines

 

Rz. 50

Mit der Gliedertaxe werden feste Invaliditätsgrade für den Verlust oder die Funktionsfähigkeit der in der Gliedertaxe genannten Körperteile und Sinnesorgane fest vereinbart. Der Nachweis einer höheren oder geringeren Beeinträchtigung ist damit ausgeschlossen. Mit der Gliedertaxe ist ein abstrakt generalisierender Maßstab geschaffen worden, der eine weitgehende Gleichbehandlung aller VP ermöglicht.[63] Eine konkrete Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der VP in Beruf, Erwerbsleben, Sport und Freizeit bleibt außer Betracht.[64]

Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsunfähigkeit ergibt sich die Leistung aus dem entsprechenden Anteil, zu dem das Körperteil bzw. Sinnesorgan beeinträchtigt ist. Dieser Anteil wird durch Angabe eines Bruchteils oder Prozentsatzes (z.B. 1/10 Armwert) dargestellt.[65]

[63] Grimm, Ziff. 2 Rn 18.
[64] BGH v. 4.4.1984 – IVa ZR 17/83, 576, 577; BGH v. 10.10.1966 – II ZR 252/64, VersR 1966, 1133.
[65] Vgl. Grimm, Ziff. 2 Rn 19.

bb) Systematik der Gliedertaxe

 

Rz. 51

Der Verlust oder die Beeinträchtigung eines rumpfnäheren Gliedes schließt den Verlust oder die Beeinträchtigung des rumpfferneren Gliedes ein.[66]

 

Beispiel

Beim Verlust einer Hand geht der Verlust der Finger in dem höheren Invaliditätsgrad der Hand mit auf.

Die Beeinträchtigung eines Fingers bedeutet aber umgekehrt nicht automatisch auch eine Teilfunktionsunfähigkeit der Hand.[67] Mit abgegolten ist die über das rumpffernere Körperglied hinaus strahlende Beeinträchtigung des rumpfnäheren Körpergliedes, wie z.B. bei einer Fingergelenksversteifung der mangelnde Faustschluss. Wird dagegen ein anderer Körperbereich geschädigt, so sind nur die diesbezüglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen.[68]

 

Rz. 52

In Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des BGH soll nach einer Ansicht bei der Bemessung der Invalidität auf den Sitz der Verletzung abgestellt werden.[69] Dies wird aus den BGH-Urteilen zur Gelenkversteifung[70] abgeleitet. Nach diesem Urteil ist die Formulierung "Hand im Handgelenk" der Gliedertaxen in den AUB 99/94/88/61 AUB unterschiedlichen Auslegungen zugänglich. Dies geht nach dem BGH zu Lasten des Verwenders und bedeute bei einer Handgelenksversteifung, dass selbst bei verbliebener Restfunktion der Hand die vollständige Funktionsunfähigkeit der Hand im Handgelenk anzunehmen sei.

 

Rz. 53

Richtigerweise ist jedoch auf den Sitz der Wirkung, also den Sitz der Funktionsbeeinträchtigung, abzustellen.[71] Diese Ansicht wird der Invaliditätsleistung im Sinne einer Entschädigung für Funktionsverluste gerechter als eine auf den Sitz der Verletzung abstellende Auffassung. Reißen z.B. bei Zugkräften auf den Arm die Nervenwurzeln aus, dann sitzt die Verletzung an der (Hals-) Wirbelsäule. Ist dadurch die Hand vollständig funktionsunfähig, dann muss dies zu einer Bewertung nach der Gliedertaxe führen und eben nicht zu einer Bewertung anhand der Verletzung an der Wirbelsäule, da dort unter Umständen gar keine Funktionsbeeinträchtigungen vorhanden sind.

 

Rz. 54

Diese Auffassung (Sitz der Wirkung) steht auch nicht in Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung, weil die Entscheidung zur Gelenkversteifung[72] nicht die Systematik der Gliedertaxe an sich in Frage stellt. Da eine Formulierung in den AUB wegen verschiedener Auslegungsmöglichkeiten zu Lasten des Verwenders und zugunsten des VN ausgelegt wird, ist es letztlich eine Entscheidung zu den Unklarheitsregeln der §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB.

[67] BGH v. 23.1.1991, VersR 1991, 413; OLG Köln v. 26.11.1992 – 5 U 37/92, r+s 1993, 318, 319.
[68] Beckmann-Mangen, § 47 Rn 188.
[69] Beckmann-Mangen, § 47 Rn 189; Kloth, G Rn 88; OLG Köln v. 1.10.2010 – 20 U 79/09, VersR 2011, 789 setzt dabei die unfallbedingte Verletzung mit der unfallbedingten Schädigung gleich.

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