a) Fortführung früheren Rechtes zu beschlussfreien Befugnissen
Rz. 52
Der Gesetzgeber wollte die Möglichkeit des Verwalters, ohne Beschlussfassung tätig zu werden, durch § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG ausschließlich erweitern. Deswegen verbleibt es auch ohne diesbezügliche Vorgaben in Gesetzestext und -materialien bei den Befugnissen, die dem Verwalter schon früher ohne Entscheidung der Eigentümerversammlung zukamen, bei der Entbehrlichkeit der Beschlussfassung. Der Verwalter hat also im Rahmen seiner früher in § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG a.F. geregelten Tätigkeit ohne diesbezüglichen Beschluss die Liegenschaft zu begehen, Mitteilungen über Mängel des Gemeinschaftseigentums nachzugehen, im Rahmen der Finanzverwaltung Vorlagen für Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen zu erstellen und mindestens einmal im Jahr die Eigentümerversammlung einzuberufen.
b) Maßnahmen untergeordneter Bedeutung ohne erhebliche Verpflichtungen
Rz. 53
Weniger klar ersichtlich sind die Voraussetzungen für die Entbehrlichkeit einer Beschlussfassung nach neuem Recht. Die ursprüngliche Formulierung im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu Maßnahmen, "über die eine Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer nicht geboten ist," erschien dem Rechtsausschuss zu unbestimmt. Er ersetzte sie durch die Umschreibung, wonach die beschlussfreien Maßnahmen nur "untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen" dürfen. Erheblich bestimmter ist auch dies nicht, was die Gesetzesmaterialien implizit einräumen, wenn sie ausführen, "dass eine generalisierende Einordnung in die Kategorien "untergeordnete Bedeutung" mit "nicht erheblichen Verpflichtungen" nicht möglich ist."
c) Definition der Maßnahmen, über die keine Beschlussfassung erforderlich ist
Rz. 54
Folglich definieren die Gesetzesmaterialien die beschlussfreien Maßnahmen nur durch allgemein gehaltene Bemerkungen. Der Kreis der Maßnahmen, der nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG keiner Beschlussfassung bedarf, wachse mit der Größe der Anlage. Hieraus lässt sich immerhin entnehmen, dass es anders als in der Rechtsprechung nach früherem Recht für die Delegation von Aufgaben auf den Verwalter keine starren Obergrenzen geben soll. Die unerhebliche Verpflichtung bemesse sich an dem Anteil, für den der einzelne nach § 9a Abs. 4 WEG hafte. Als Beispiele für beschlussfreie Maßnahmen nennen die Gesetzesmaterialien kleinere Reparaturen, den Austausch von Leuchtmitteln und zerbrochenen Fenstern und die Beseitigung von Graffitis im Gegensatz zu kostenträchtigen Sanierungsmaßnahmen.
d) Weitere Kriterien
Rz. 55
Maßgeblich ist die konkrete Beschaffenheit der Liegenschaft. Dabei dürfte die Größe nur ein Kriterium sein. Hinzu kommen mindestens noch ihr baulicher Zustand und die finanzielle Ausstattung. In einer bestens instandgehaltenen Liegenschaft dürfte selbst eine größere Reparatur eher der Entscheidungsbefugnis des Verwalters zuzuordnen sein als in einer vernachlässigten Anlage, in der schon die Reihenfolge der Erhaltungsmaßnahmen diskussionsbedürftig ist. Entsprechendes gilt für die Finanzausstattung. Ist die Instandhaltungsrücklage nicht ausreichend, bedarf es schon aus Gründen der Finanzierung einer Entscheidung der Eigentümerversammlung, während der Verwalter bei gut gefüllter Kasse einen weiteren Entscheidungsspielraum haben dürfte. Von Bedeutung ist ferner die Dringlichkeit einer Maßnahme. Entspricht nur deren Durchführung ordnungsmäßiger Verwaltung, kann die Eigentümerversammlung ihr ohnehin nur zustimmen, so dass eine entsprechende Entscheidung des Verwalters jedenfalls rechtmäßig ist. Des Weiteren dürfte auch der Wohnort der Wohnungseigentümer eine gewisse Rolle spielen. Wohnen sie überwiegend am Ort der Anlage oder sogar in einer dortigen Wohnung, ist eine Eigentümerversammlung eher zumutbar als bei einer weit verstreuten, evtl. sogar im Ausland ansässigen Eigentümerschaft. Schließlich dürften aus ähnlichen Gründen auch die Kosten der Saalmiete etc. zu berücksichtigen sein. Existiert in der Liegenschaft ein eigener Versammlungsraum, kann eine Eigentümerversammlung eher durchgeführt werden als in fremden Räumlichkeiten, zumal dann, wenn entsprechende Lokalitäten nicht vor Ort, sondern nur in einem anderen Stadtteil zur Verfügung stehen.
e) Vergleich mit den Einzelbefugnissen des alten Rechtes
Rz. 56
Dass der Gesetzgeber die Befugnisse aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG eher weit verstanden wissen will, zeigt sein Vergleich mit den Verwalterbefugnissen nach früherem Recht. Danach sollen nicht nur die früheren Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 Nr. 4–5 WEG a.F., also die komplette Verwaltung der gemeinschaftlichen Gelder einschließlich der gerichtlichen Durchsetzung von Hausgeldforderungen "in der Regel" den nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG beschlussfreien Befugnissen des Verwalters zuzuordnen sein, sondern auch die nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG a.F. "für die ordnungsmäßige Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen." Der Gesetzgeber nimmt also anders als bei der Novelle 2007 im Zusammenhang mit der Außenvollmacht noch nicht einmal eine Beschränkung auf bestimmte (dort auf die "la...