Rz. 4
Der Erbverzicht ist ein erbrechtlicher abstrakter Verfügungsvertrag mit negativem Inhalt, indem er unmittelbar den Berufungsgrund für die Erbschaft beseitigt, also bereits die Entstehung eines Erb- und/oder Pflichtteilsrechts von vornherein verhindert. § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB zufolge gilt der Verzichtende für die Ermittlung der gesetzlichen Erbfolge als vor dem Erbfall verstorben (sog. Vorversterbensfiktion). In Verbindung mit der Regelung des § 1923 Abs. 1 BGB, der zufolge nur Erbe werden kann, wer im Zeitpunkt des Erbfalls lebt, führt die Vorversterbensfiktion zum Verlust des gesetzlichen Erbrechts.
Der Erbverzicht bedarf gem. § 2348 BGB der notariellen Beurkundung. Gleiches gilt selbstverständlich auch für den Abfindungsvertrag als Kausalgeschäft. Die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien ist im Unterschied zum Erbvertrag nicht zwingend erforderlich. Bei Verknüpfung von Erbverzicht mit einem anderen Rechtsgeschäft sind die Formvorschriften beider Rechtsgeschäfte kumulativ zu wahren. Folglich ist ein Erbverzicht, welcher in einem gemeinschaftlichen Testament vereinbart wurde, das nach § 2232 BGB dem Notar übergeben wird, formnichtig gem. § 125 BGB.
Rz. 5
Ausnahmsweise kann wegen der Bestimmung in § 127a BGB ein Verzichtsvertrag auch in Rahmen eines Prozessvergleichs geschlossen werden. Hierbei muss der Erblasser allerdings persönlich anwesend sein und zusammen mit dem Rechtsanwalt im Anwaltsprozess den Erbverzicht erklären. Bei Formverstoß ist der Erbverzicht unheilbar nichtig nach § 125 BGB. Lediglich in Ausnahmefällen könnte die Berufung auf die Formnichtigkeit als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB gewertet werden.
Der Erbverzicht kann vom Erblasser nur zu Lebzeiten vertraglich abgeschlossen werden, da es sich um ein erbrechtliches abstraktes Verfügungsgeschäft handelt und bei Todeseintritt die Erbfolge nicht mehr zur Disposition steht. Ebenso scheidet nach der Rechtsprechung eine Anfechtung des Erbverzichts nach dem Tod des Erblassers aus. Deshalb kann auch ein schwebend unwirksamer Erbverzicht auch nicht durch nachträgliche Genehmigung wirksam werden, wenn die Genehmigung nach dem Erbfall erfolgt. Zulässig dagegen ist, den Erbverzicht unter der Beschränkung einer aufschiebenden oder auflösenden Befristung oder Bedingung zu erklären. Zur Sicherheit sollte darauf geachtet werden, dass der Verzichtsvertrag möglichst schnell wirksam werden sollte.
Rz. 6
Der Erblasser kann nach § 2347 Abs. 1 BGB nur persönlich den Verzichtsvertrag schließen. Dagegen kann der Verzichtende sich vertreten lassen.
Die Unwirksamkeit eines Erbverzichts kann erst dann auf die Auslegungsregeln des § 2350 BGB gestützt werden, wenn die Ermittlung des Willens der Verzichtsparteien ohne Erfolg geblieben ist. Dabei liegt die Beweislast bei demjenigen, der entgegen den Vermutungen des § 2350 BGB aus einem unbedingten Verzicht Rechte herleiten will. Das OLG München hatte in seinem Urt. v. 25.1.2006 (Wildmoser-Fall) über die Wirksamkeit eines Erbverzichts- und Abfindungsvertrages zu befinden. Der Beklagte, bei dem es sich um den Vater des aus einer vorehelichen Beziehung stammenden Klägers handelt, schloss diesen Vertrag mit dem Kläger unter Zuhilfenahme seines Rechtsanwalts. Dabei muss immer zunächst eine Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäfts vorgenommen werden, wonach der Inhalt des Vertrages für sich alleine genommen nicht zur Sittenwidrigkeit führen muss. Etwas anderes ergibt sich aber aus einer (damaligen) Unerfahrenheit des Verzichtenden sowie der Einflussnahme des Anwalts des Vaters. Die Sittenwidrigkeit des Kausalgeschäfts kann somit auf den Erbverzicht durchschlagen.
Rz. 7
Ferner dürfte der Erbverzicht unter entsprechender Anwendung von § 139 BGB im Einzelfall wegen Sittenwidrigkeit auch als nichtig anzusehen sein.
Eine Rechtseinheit i.S.d. § 139 BGB wird von der Rechtsprechung indes nur bejaht, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Einheitswillen der Vertragspartner vorliegen. Bleibt jedoch die Wirksamkeit des Erbverzichts unberührt, so ist das Bereicherungsrecht heranzuziehen.
Sofern ein Pflichtteilsverzicht angefochten wurde, stellt sich die Frage, ob dann gleichsam im Gegenzug eine Anfechtung der letztwilligen Verfügung nach § 2079 BGB erfolgen kann. Dies ist zu bejahen, wobei aber natürlich nach § 2079 S. 2 BGB eine erfolgreiche Testamentsanfechtung davon abhängig ist, ob der Erblasser seine Verfügung auch bei Kenntnis der Sachlage getroffen haben würde.
Rz. 8
Problematisch ist, ob ein Verzichtsvertrag auch konkludent geschlossen werden kann. Nach der alten Rechtsprechung des BGH soll dies dann möglich sein, wenn sich aus dem Vertragsinhalt ein Verzicht zuverlässig ergibt. Dies soll z.B. dann der Fall sein, wenn Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament einen Dritten zum Erben machen oder wenn das Kind Vertragspartner eines Erbvertrages ist, in dem sich die Eltern gegenseitig zum Alleinerben eingesetzt haben.
Die h.M. le...