Rz. 59
Wenn der Notar vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt, trifft ihn die Meldepflicht, erbfolgerelevante Urkunden beim Nachlassgericht einzureichen, vgl. § 34a BeurkG. Die Meldepflicht greift unabhängig davon, ob die Ablieferung zur besonderen amtlichen Verwahrung vorgeschrieben ist (Testamente, § 34 Abs. 1 BeurkG) oder gar zur Disposition der Beteiligten steht (Erbverträge, § 34 Abs. 2, Abs. 3 BeurkG). Auch notarielle Urkunden, deren amtliche Verwahrung unzulässig ist, werden von der Meldepflicht umfasst, soweit es sich um erbfolgerelevante notarielle Urkunden i.S.v. § 78d Abs. 2 S. 1 BNotO handelt. Pflichtteilsverzichtsverträge gehören nicht zu den erbfolgerelevanten Urkunden, da durch sie nicht die Erbfolge geändert wird. Nicht unter die Meldepflicht fallen ferner auf das Pflichtteilsrecht beschränkte Erbverzichtsverträge (§ 2346 Abs. 2 BGB), da keine Einflussmöglichkeit auf die Erbfolge besteht. Sind ein Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrag und ein gemeinschaftliches öffentliches Testament in einem Termin beurkundet und anschließend gemeinsam verwahrt worden, kann dieses Testament entsprechend § 2256 Abs. 2 BGB (i.V.m. § 2272 BGB) jederzeit aus der amtlichen Verwahrung zurückgenommen werden. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe bejaht die für die Praxis wichtige Frage, ob ein gemeinschaftliches notarielles Testament isoliert aus der Verwahrung zurückgegeben werden kann, zugunsten der Testierenden. Ein Erbvertrag kann jedoch nur dann aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgenommen und den Beteiligten zurückgegeben werden, wenn er ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthält, vgl. § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB. § 2300 Abs. 2 BGB ist nicht auf (gemeinschaftliche) öffentliche Testamente anwendbar.
Rz. 60
Erwogen werden kann die Registerfähigkeit von Pflichtteilsverzichtsverträgen, so dass eine Meldung der Urkunde für den Erblasser (nicht: die Verzichtenden) auf Wunsch sämtlicher Beteiligter möglich erscheint. Dann würde diese Urkunde in das Benachrichtigungswesen einbezogen und wäre nach § 34a BeurkG im Sterbefall dem nachlassgerichtlichen Verfahren zuzuführen.
Rz. 61
Bei Erb-, Zuwendungs- und Pflichtteilsverzichtsverträgen ist die jeweilige Erb- bzw. Pflichtteilsquote am modifizierten Reinvermögen maßgeblich. Bei der Bewertung eines Verzichtsvertrages ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beurkundung abzustellen. Zukünftige Entwicklungen spielen bei der Geschäftswertbestimmung keine Rolle. Verzichtserklärungen sind Rechtsgeschäfte unter Lebenden, so dass die allgemeinen Vorschriften gelten. Bei der Beurkundung wird eine doppelte Gebühr (mindestens 120 EUR) nach Nr. 21100 KV GNotKG fällig, wobei der Geschäftswert nach § 97 GNotKG zu ermitteln ist. Problematisch ist dabei, dass der Wert des Erbverzichts auf das künftige Erbrecht zu Lebzeiten kaum fix feststeht. Daher ist der Wert nach freiem Ermessen unter objektiven Gesichtspunkten zu schätzen und beträgt nach § 36 Abs. 3 GNotKG mindestens 5.000 EUR. Anknüpfungspunkte für eine korrekte Schätzung können z.B. das Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt der Beurkundung im Zusammenhang mit der Erbquote des Verzichtenden sein. Zwar ist der Verzicht gegenüber dem letztversterbenden Elternteil auflösend bedingt, jedoch bleibt diese Bedingung auf die Wertbestimmung ohne Einfluss. Bedingte Verträge sind wie unbedingt abgeschlossene Verträge zu bewerten.
Rz. 62
Beim reinen Pflichtteilsverzicht ist nur die Hälfte des ermittelten Wertes als Geschäftswert zu berücksichtigen. Bei einem Pflichtteilsverzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil werden zwei selbstständige Pflichtteilsverzichte gegenüber einem jeden Elternteil erklärt, sodass deren jeweilige Werte addiert den für die Kostenrechnung anzusetzenden Geschäftswert bilden.
Rz. 63
Wird ein Erb- und/oder ein Pflichtteilsverzichtsvertrag mit einem anderen Rechtsgeschäft, z.B. einem Schenkungs- oder Ehevertrag verbunden, so handelt es sich um zwei Gegenstände mit der Folge der Anwendbarkeit des § 94 GNotKG. Allerdings gilt § 94 GNotKG nicht, wenn gleichzeitig eine letztwillige Verfügung mitbeurkundet wird. Hier ist dann § 109 GNotKG zu beachten.
§ 102 Abs. 1 GNotKG stellt für Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge klar, dass es auch hier auf das modifizierte Reinvermögen des Erblassers im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ankommt und ein Abzug von Verbindlichkeiten nur bis zur Hälfte des Erblasservermögens statthaft ist. Maßgebend sind damit die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Verzichts.