Rz. 79

Im Unterschied zum Erbverzicht erhöhen sich die Pflichtteilsansprüche der anderen Pflichtteilsberechtigten nicht.[178] Der Verzichtende wird also bei der Berechnung des Erbteils, welcher für die Bestimmung des Pflichtteils ausschlaggebend ist, berücksichtigt. Dadurch wird im Ergebnis eine – regelmäßig ungewollte – Begünstigung anderer Pflichtteilsberechtigter vermieden. Hierin liegt ein erheblicher Vorteil des Pflichtteilsverzichts.

Zudem bleiben die Zugewinnausgleichsansprüche des Ehegatten nach §§ 1373 ff. BGB bestehen. Der Pflichtteilsverzicht ermöglicht also dem Erblasser, eine Verfügung von Todes wegen zu treffen, ohne eventuelle Pflichtteilsansprüche berücksichtigen zu müssen. Insbesondere in der Unternehmensnachfolge hat daher der Pflichtteilsverzicht praktische Bedeutung erlangt. So ist bspw. der Nachfolger keinen finanziellen Belastungen durch Auszahlung der – mit Erbfall fälligen und auf Geldzahlung gerichteten – Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche ausgesetzt.

 

Rz. 80

Leider wird in der Praxis immer wieder von den Erblassern außer dem Verzichtsvertrag keine weitere Verfügung von Todes wegen verfasst. Dies hat zur Konsequenz, dass eine nicht gewollte gesetzliche Erbfolge mit einer Doppelbegünstigung desjenigen eintritt, der bei vorweggenommener Erbfolge nur einen Pflichtteilsverzicht abgegeben hat.[179] Dem die Nachfolge planenden Mandanten sollte in Ansehung dessen stets empfohlen werden, den isolierten Pflichtteilsverzicht mit einer positiven Erbeinsetzung einer anderen Person durch letztwillige Verfügung zu verbinden.[180] Andernfalls könnte der Pflichtteilsverzicht leerlaufen.

 

Rz. 81

Besondere Probleme bestehen bei Ausgleichungssachverhalten. Die Quotenerhöhung führt beim Erbverzicht nämlich auch zur Erhöhung der Ausgleichungspflichtteilsansprüche und -restansprüche, selbst dann, wenn Miterbschaft vorliegt.[181] Freilich kommt es allerdings nicht zur Zurechnung einer dem Verzichtenden gemachten ausgleichungspflichtigen Zuwendung.

 

Rz. 82

Sofern nicht etwas anderes vertraglich vereinbart ist, erstreckt sich der Pflichtteilsverzicht auf folgende Pflichtteilsansprüche:

Pflichtteilsanspruch gem. §§ 2305, 2307 BGB
Ausschluss der Rechte aus § 2306 BGB
Ausschluss des Kürzungsschutzes bei Vermächtnissen nach § 2318 Abs. 2 BGB
Ausschluss der Verweigerungsrechte nach § 2319 BGB sowie § 2328 BGB[182]
Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. §§ 2325 ff. BGB.
[178] Ganz h.M., vgl. BGH NJW 1982, 2497; zunehmend von der Literatur kritisiert, zum Meinungsstand vgl. v. Proff, ZEV 2016, 173.
[179] Dazu J. Mayer, MittBayNot 1999, 43.
[180] Müller, in: Schlitt/Müller, § 11 Rn 10.
[181] Bühler, DNotZ 1967, 778.
[182] Hier liegt erhebliches Haftungspotential für den Berater! Hat bspw. der Erblasser zwei Kinder und einen Enkel und überträgt er auf den Enkel eine Immobilie gegen Verzicht der Mutter des Enkels (seiner Tochter) auf Pflichtteilsergänzungsansprüche, kann diese später nicht die Einrede nach § 2328 BGB erheben bzgl. Pflichtteilsergänzung, wenn sie z.B. zusammen mit ihrem Bruder Erbin wird. Dies hat für sie die ungewollte Folge, dass sie nun auch die Ansprüche des Bruders ausgleichen muss.

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