Rz. 24
Die Abfindung ist kein Entgelt für den Erbverzicht, sondern eine unentgeltliche Zuwendung. Bei einem Verzicht gegen Abfindung ist es vernünftig, ausdrücklich auch die Erstreckung auf die Abkömmlinge anzuordnen, da andernfalls dieser Stamm vor den anderen Stämmen bevorzugt würde.
Macht man den Erbverzicht von der Erbringung von Gegenleistungen abhängig, so dürfte hierin der sicherste Weg für den Verzichtenden bestehen. Am effektivsten hat sich in der Rechtspraxis die Bedingung nach §§ 158 ff. BGB erwiesen. Eine solche Bedingung kann z.B. sein:
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Zahlung einer bestimmten Abfindung |
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Erhalt eines Vermächtnisses für den Verzichtenden |
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Verzicht zugunsten eines anderen gem. § 2350 BGB. |
Der Dritte wird im letzten Beispiel aber nicht automatisch Erbe, da hierzu selbstverständlich die Berufung im Wege der gesetzlichen Erbfolge oder durch Verfügung von Todes wegen notwendig ist. Wird der Dritte nicht Erbe, dann ist der Verzicht aufgrund des Nichteintritts der Bedingung nicht wirksam. Will der Verzichtende eine Bindung zugunsten einer bestimmten dritten Person erreichen, so muss er einen Erbvertrag mit dem Erblasser schließen. Es empfiehlt sich aus naheliegenden Gründen auf jeden Fall, den Beweis des Bedingungseintritts sicherzustellen.
Des Weiteren ist bei Geldleistungen an eine notariell beurkundete Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklausel gem. § 794 ZPO zu denken. Als weitere Absicherungsmöglichkeit der Gegenleistung (z.B. langfristige Geldzahlungen) sollte ggf. eine Grundschuld eingetragen werden.
Rz. 25
Wie man das Kausalgeschäft, den Abfindungsvertrag, mit dem abstrakten Erbverzicht verknüpft, hängt im Einzelfall vom Parteiwillen, also von den vertraglichen Regelungen und deren konkreter Auslegung ab. Dabei werden in der Literatur verschiedene Möglichkeiten der Verknüpfung diskutiert. Allerdings erfolgt dies meist unter dem Blickwinkel des Schutzes des Verzichtenden vor Leistungsstörungen u.Ä.
Rz. 26
Ein unentgeltlicher Verzicht stellt keine Schenkung des Verzichtenden gegenüber dem Erblasser, sondern einen Vertrag sui generis dar.
In den Fällen des Verzichts gegen Abfindung (entgeltlicher Verzicht) soll der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 Abs. 1 BGB unterliegen, was über ein Entgelt oder eine angemessene Abfindung für den Erbverzicht hinausgeht. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 konkretisiert der BGH den erforderlichen Willen zur Unentgeltlichkeit dahingehend, dass dieser im Zweifel dann unterstellt wird, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt. Demgegenüber kann es gegen eine Schenkung sprechen, wenn die Zuwendung wertmäßig deutlich hinter der Erberwartung zurückbleibt. Im Übrigen stellt der BGH auf die Umstände des Einzelfalls ab. In der Literatur spricht sich die wohl mittlerweile h.M. für eine Qualifikation der Abfindung als unentgeltliche Zuwendung i.S.v. § 516 BGB aus. Da sich die Vertragsparteien bewusst seien, dass durch die Leistung der Abfindung einzig und allein die Erbfolgeregelung vorweggenommen werde, erfüllen sie auch das subjektive Merkmal der "Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung" i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB. Die Einordnung der Abfindung für einen Erbverzicht als Schenkung im Sinne des BGB hat eine immense Ausstrahlungswirkung nicht nur auf das Schenkungsrecht (man denke hier an §§ 528, 530 BGB), sondern umso stärker auf das praxisrelevante Pflichtteilsrecht, und dort im Besonderen auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB.
Rz. 27
Der Erbverzicht bildet selbst mit der Abfindungsvereinbarung keinen gegenseitigen Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB, denn der Erbverzicht als abstraktes Rechtsgeschäft kann nicht im Synallagma zu der Abfindungsvereinbarung stehen. Vielmehr kann dem Erbverzicht nur ein kausales Rechtsgeschäft zugrunde liegen, das eine Verknüpfung zwischen dem Erbverzicht und der Abfindung herstellt. Dieses Kausalgeschäft kann ein Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB sein, der den Erblasser zur Leistung der Abfindung und den Erbanwärter zum Abschluss des Verzichtsvertrages verpflichtet. Das Kausalgeschäft ist wie der Erbverzicht formbedürftig. Hierbei kann allerdings der Erblasser vertreten werden.
Da es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Problematik der vertraglichen Einheit von Erbverzicht und Abfindung gibt, sollte vorsorglich eine klarstellende Formulierung in die Urkunde aufgenommen werden, wonach ausdrücklich erklärt wird, dass – soweit rechtlich zulässig – Erbverzicht und Abfindungsvereinbarung ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 139 BGB bilden. Die gemeinsame Beurkundung von Erbverzicht und Abfindungsvereinbarung in einer Urkunde legt die beidseitig gewollte Einheitlichkeit beider Geschäfte nahe.
Der formnichtige Erbverzicht soll aber selbst dann nicht mehr heilbar sein, selbst wenn die Abfindung gezahlt oder die vereinbarte Gegenleistung schon vom Vertragspartner erbracht worden ist.
Der unentgeltliche Erbverzicht ist wegen § 517...