Rz. 2
"Auf den Erbverzicht verzichte" – so endete eine Kommentierung von J. Mayer zum Beschluss des OLG Celle – 2 W 115/97 – vom 15.1.1998, in dem wieder einmal die unerwünschten Folgen eines Erbverzichtsvertrages zum Tragen kamen. Der Erbverzicht ist ein schwieriges Instrument zur Gestaltung der Erbnachfolge und gilt als "recht heimtückische Gestaltungsmöglichkeit", die "der Kautelarpraxis große Vorsicht abverlangt".
Nach Keim sollte in der Praxis ein vollständiger Erbverzicht nur in ganz seltenen Konstellationen angeraten werden, z.B.
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wenn alle Pflichtteilsberechtigten verzichten und somit die pflichtteilserhöhende Wirkung gem. § 2310 S. 2 BGB ins Leere greift oder |
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beim Erbverzicht des Ehegatten im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung, wenn es mit Eintritt der Scheidung oder deren Vorabwirkungen nach § 1933 BGB wenig später ohnehin zum Ausscheiden des verzichtenden Ehegatten und damit zur Erhöhung der Pflichtteilsquote der Kinder kommen würde. |
Rz. 3
Jedoch bergen auch die weiteren Gestaltungsmöglichkeiten von erbrechtlichen Verzichtsverträgen erhebliche Haftungsgefahren für den Notar oder Anwalt in sich. Bei der Gestaltung von Verzichtsverträgen ist somit grundsätzlich höchste Vorsicht geboten. Immer sollten daher sämtliche Folgen für den Verzichtenden und für den Stamm gleichzeitig bedacht und dem Mandanten gegenüber ausführlich erläutert werden (vgl. die in Rdn 147 abgedruckte Tabelle, die die wesentlichen Unterschiede und Auswirkungen graphisch kurz zusammenfassend verdeutlicht). Der rechtsgestaltende Jurist hat somit immer den sichersten Weg zu beschreiten.
Infolge der häufig mit einem Erbverzicht einhergehenden unerwünschten und mitunter kontraproduktiven Rechtsfolgen hat der Erbverzicht als Gestaltungsmittel seit jeher nur eine äußerst untergeordnete Bedeutung für die Praxis. In den meisten Fällen scheitert ein Erbverzicht bereits aufgrund der mangelnden Bereitschaft der Erben. Ein Erbverzicht wird regelmäßig nur zu erreichen sein, wenn der verzichtende Erbe im Gegenzug eine den Verzicht kompensierende Abfindung erhält. Erbverzichte werden in der heutigen Gestaltungspraxis lediglich im Rahmen von Scheidungsfolgenvereinbarungen zwischen Ehegatten beurkundet, um den Ausschluss des – beiderseits nicht mehr gewollten – Ehegattenerbrechts zeitlich vorzuziehen, wenn die (einvernehmliche) Scheidung bereits absehbar ist. Die nachteilige Wirkung in Gestalt der Erhöhung der Pflichtteilsquoten der Abkömmlinge stört in diesem Fall regelmäßig nicht bzw. ist sogar erwünscht.
1. Grundsätzliches
Rz. 4
Der Erbverzicht ist ein erbrechtlicher abstrakter Verfügungsvertrag mit negativem Inhalt, indem er unmittelbar den Berufungsgrund für die Erbschaft beseitigt, also bereits die Entstehung eines Erb- und/oder Pflichtteilsrechts von vornherein verhindert. § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB zufolge gilt der Verzichtende für die Ermittlung der gesetzlichen Erbfolge als vor dem Erbfall verstorben (sog. Vorversterbensfiktion). In Verbindung mit der Regelung des § 1923 Abs. 1 BGB, der zufolge nur Erbe werden kann, wer im Zeitpunkt des Erbfalls lebt, führt die Vorversterbensfiktion zum Verlust des gesetzlichen Erbrechts.
Der Erbverzicht bedarf gem. § 2348 BGB der notariellen Beurkundung. Gleiches gilt selbstverständlich auch für den Abfindungsvertrag als Kausalgeschäft. Die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien ist im Unterschied zum Erbvertrag nicht zwingend erforderlich. Bei Verknüpfung von Erbverzicht mit einem anderen Rechtsgeschäft sind die Formvorschriften beider Rechtsgeschäfte kumulativ zu wahren. Folglich ist ein Erbverzicht, welcher in einem gemeinschaftlichen Testament vereinbart wurde, das nach § 2232 BGB dem Notar übergeben wird, formnichtig gem. § 125 BGB.
Rz. 5
Ausnahmsweise kann wegen der Bestimmung in § 127a BGB ein Verzichtsvertrag auch in Rahmen eines Prozessvergleichs geschlossen werden. Hierbei muss der Erblasser allerdings persönlich anwesend sein und zusammen mit dem Rechtsanwalt im Anwaltsprozess den Erbverzicht erklären. Bei Formverstoß ist der Erbverzicht unheilbar nichtig nach § 125 BGB. Lediglich in Ausnahmefällen könnte die Berufung auf die Formnichtigkeit als rechtsmissbräuchlich i.S.v. §...