Rz. 82
Die Schwierigkeiten bei der Beseitigung der Nacherbenbindung durch Vereinbarungen zwischen Vor- und Nacherben über den Gesamtnachlass begründen den Wunsch zumindest einzelne Gegenstände nacherbschaftsfrei auf den Vorerben übertragen zu können. Vorbild für diese Idee, ist die Möglichkeit durch Zusammenwirken von Vor- und Nacherben Nachlassgegenstände nacherbschaftsfrei auf einen Dritten zu übertragen.
Rz. 83
Eine entgeltliche Übertragung durch die Vorerben auf einen Dritten ist auch bei Immobilien zumindest dem befreiten Vorerben möglich. Eine vollentgeltliche Verfügung des Vorerben an einen Dritten ist auch dem Nacherben gegenüber nach Eintritt des Nacherbfalls wirksam. Ist die getroffene Verfügung hingegen nicht vollentgeltlich, wird diese mit Eintritt des Nacherbfalls unwirksam. Eine solche Veräußerung durch den Vorerben bedarf keiner Zustimmung von Ersatznacherben. Mit Blick auf das Erfordernis späterer Anhörungen im Grundbuchverfahren, ist jedoch zu empfehlen, die Zustimmung aller Nacherben bei Vertragsschluss einzuholen. Auch hier können jedoch unbekannte Nacherben beteiligt sein, so dass die bereits bekannten Probleme auch an dieser Stelle auftreten können.
Rz. 84
Dritter kann auch ein Nacherbe sein. Nach den allgemeinen Grundsätzen für Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte des Vorerben kann der Nacherbe nacherbschaftsfrei Gegenstände aus dem Nachlass bereits vor Eintritt des Nacherbfalls erhalten. Der Wille des Nacherben zum Erwerb des Gegenstandes umfasst ggf. eine von ihm zu erklärende Zustimmung. Häufig verpflichten sich die Nacherben zu Gegenleistungen, wie z.B. der Übertragung ihres Anwartschaftsrechts, Zustimmungen zu anderen Verfügungen des Vorerben zu erteilen oder klassisch, zur Zahlung eines Geldbetrages. Zutreffenderweise ist für die erbrachte Gegenleistung der Grundsatz der dinglichen Surrogation zu beachten, § 2111 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 BGB. Es steht den Beteiligten jedoch frei, eine Übertragung unentgeltlich und ohne Gegenleistung zu vereinbaren. Bei einer Mehrheit von Nacherben ist zu betonen: Jeder Nacherbe hat seine eigene Rechtsposition. Es werden daher weitere Zustimmungserklärungen erforderlich. Möchte der Vorerbe einen Gegenstand auf sämtliche Nacherben übertragen, müssen diese sich in einer Bruchteilsgemeinschaft oder GbR zusammenschließen.
Rz. 85
Gesetzlich nicht geregelt ist die Frage, ob ein sog. Eigenerwerb des Vorerben möglich ist. Bei einem Eigenerwerb des Vorerben bleibt zwar die Nacherbfolge an sich bestehen, einzelne Nachlassgegenstände können jedoch in das nicht gebundene freie Vermögen des Vorerben überführt werden. Hält man dies mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur für möglich, bleibt zu klären, ob der Eigenerwerb eine praktisch ansprechendere Lösung bietet, dem Vorerben eine unbeschränkte Eigentümerstellung zu verschaffen, als die Gestaltungsmöglichkeiten, die den Gesamtnachlass betreffen.
a) Eigenerwerb des Vorerben
Rz. 86
Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur besteht weitestgehend im Ergebnis: Auch der Vorerbe kann nacherbschaftsfrei Gegenstände aus dem Nachlass erhalten. Es bedarf dabei stets der Mitwirkung aller Nacherben. Da es für die Übertragung an Dritte keiner Zustimmung der Ersatznacherben bedarf, wird eine solche auch bei der Übertragung von einzelnen Nachlassgegenständen auf den Vorerben nicht für erforderlich gehalten. Der Ersatznache...