Rz. 5

In der Praxis nur selten zu finden ist der Fall, dass auf einen Alleinvorerben ein Alleinnacherbe folgt. Regelmäßig ist eine Mehrheit von (potenziellen) Erben beteiligt.

 

Beispiel

"Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Längerlebende von uns ist jedoch nur Vorerbe des Erstversterbenden. Nacherben sind unsere gemeinsamen Kinder. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein. Weitere Nacherben werden unsere Enkel, derzeit Alina und Jonas. Mit dem Nacherbfall werden unsere Kinder nicht-befreite Vorerben. Als Schlusserben setzen wir die Abkömmlinge unserer Enkel ein."

In dieser gestuften Erbfolge folgt auf den Alleinvorerben eine Mehrheit von Nacherben und weiteren Nacherben. Vorbehaltlich anderweitiger Anhaltspunkte[15] sind die eingesetzten Nacherben zugleich Ersatznacherben (§ 2102 BGB).

Nur die Erben, die gleichzeitig und nebeneinander berufen sind, werden Mitglieder einer Erbengemeinschaft. Nach dem Erbfall bilden mehrere Vorerben daher eine Mitvorerbengemeinschaft.[16]

 

Rz. 6

Vor- und Nacherben sind nicht gleichzeitig, sondern in zeitlicher Abfolge berufen.[17] Zwar sind sie Rechtsnachfolger desselben Erblassers,[18] sie teilen oder verwalten jedoch kein gemeinsames, nicht einmal gesamthänderisch gebundenes Vermögen. Auch wird die Annahme einer Erbengemeinschaft dem Ziel der Vor- und Nacherbschaft nicht gerecht: Während die Erbengemeinschaft als Liquidationsgemeinschaft auf Auseinandersetzung ausgerichtet ist (vgl. § 2032 Abs. 2 BGB),[19] verfolgt der Erblasser bei der Anordnung von Vor- und Nacherbschaft das Ziel, das Vermögen möglichst lange zu perpetuieren.[20] Das Verhältnis von Vor- und Nacherben ist mit dem von Miterben daher keineswegs vergleichbar. Vor- und Nacherben treten mit dem Erbfall in keine Erbengemeinschaft.[21]

 

Rz. 7

Mehrere Nacherben bilden untereinander nach Eintritt des Nacherbfalls eine Mitnacherbengemeinschaft.[22] Gleiches gilt für mehrere Ersatznacherben, falls die primär vorgesehenen Nacherben weggefallen sind.[23]

[15] Zu betonen ist, dass es sich bei § 2102 BGB um eine Zweifelsregelung handelt. Die Anwendung der Zweifelsregel setzt voraus, dass die konkrete Testamentsauslegung nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hat; vgl. OLG München, Beschl. v. 29.1.2016 – 34 Wx 50/15, juris Rn 35.
[16] Soergel/Harder/Wegmann, § 2100 Rn 5.
[17] MüKo/Grunsky, § 2100 Rn 1; Palandt/Weidlich, § 2100 Rn 2.
[18] MüKo/Grunsky, § 2100 Rn 1; Palandt/Weidlich, § 2100 Rn 2.
[19] BeckOGK/Rißmann/Szalai, BGB, § 2042 Rn 1, Stand 15.3.2018.
[20] Warlich, S. 82.
[21] Damrau/Tanck/Rißmann, § 2032 Rn 2; BeckOGK/Küpper, BGB, § 2100 Rn 3–4, Stand 1.7.2018; MüKo/Gergen, § 2032 Rn 1; für eine vergleichbare Interessenlage argumentiert Gantzer in: MittBayNot 1993, 68; Kössinger in: Nieder/Kössinger, 2. Teil, § 10 Rn 79.
[22] Soergel/Harder/Wegmann, § 2100 Rn 5.
[23] MüKo/Gergen, § 2032 Rn 1.

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