Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 67
Genauso wie ein Anwalt seiner Mitarbeiterin oder seinem Mitarbeiter sicherlich niemals die Unterschriftenmappe mit dem Hinweis zurückgeben würde "Bitte unterschreiben Sie doch heute für mich", bedarf es wohl keiner näheren Darlegung, dass die Verwendung der beA-Karte Basis und dazugehöriger PIN zum Erzeugen einer Fernsignatur dem Inhaber der beA-Karte Basis vorbehalten ist.
Rz. 68
Hinweis
Anwälte dürfen ihre Zugangsmittel zum beA (beA-Karte Basis oder für den Postfachinhaber freigeschaltetes Softwarezertifikat) Mitarbeitern oder Kollegen nicht überlassen und haben die entsprechenden PINs geheim zu halten. Die Zugangsmittel des Anwalts haben im beA eine Ausweisfunktion und weisen den Nutzer als Postfachinhaber und damit als Anwalt aus. Gibt ein Anwalt seine beA-Karte Basis einem Mitarbeiter mit PIN zur Hand, ermöglicht er diesem, sich im beA gegenüber anderen Anwälten, Notaren, Gerichten und Behörden als Anwalt auszugeben. Ein Mitarbeiter wiederum, der mit beA-Karte Basis im beA unterwegs ist, gibt sich seinerseits als Anwalt aus. Beides ist vom Gesetzgeber weder gewollt noch erlaubt! Denn das beA gilt als sicherer Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO. Der Begriff "sicherer Übermittlungsweg" resultiert dabei aus der Tatsache, dass der Empfänger einer beA-Nachricht anhand des Prüfprotokolls/Transferprotokolls sicher erkennen kann, ob der Postfachinhaber selbst sendet oder jemand anderes. Denn der sog. VHN (vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis) wird nur ausgewiesen, wenn der Postfachinhaber selbst sendet.
Rz. 69
Nachstehend sehen Sie ein Beispiel für den ausgewiesenen VHN, der NICHT erscheint, wenn z.B. ein Mitarbeiter mit der beA-Karte Mitarbeiter sendet. Dieser VHN wird bei Posteingang durch den Richter auch geprüft, sofern keine qualifizierte elektronische Signatur vorhanden ist, siehe dazu auch § 11 Rdn 123 ff. sowie Rdn. 128 in diesem Werk. Bei Gerichten wird dieser VHN im Transferprotokoll ebenfalls ausgewiesen.
Abb. 1: Erzeugter VHN ist im Prüfprotokoll der Export-Datei sichtbar (sowohl unter "Information zum Übermittlungsweg": Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach als auch unter Absender Transportsignatur. Der über dem gerahmten Vermerk eingetragene Name ist der Name der Postfachinhaberin (Rechtsanwältin); hier: Anna Achtsam.
Rz. 70
Darüber hinaus:
Gibt der Karteninhaber Karte und PIN weiter und gibt z.B. der Mitarbeiter eine Erklärung ab oder nimmt eine Aktion im beA (z.B. Löschen von Nachrichten) vor, wäre der Anwalt bei einem etwaigen Missbrauch dafür beweispflichtig, dass er die Erklärung nicht abgegeben bzw. die Aktion nicht vorgenommen hat (Beweislastumkehr). Das dürfte ihn dann in erhebliche Erklärungsnot bringen, wenn er seine Karte freiwillig verbotswidrig aus der Hand gegeben hat.
Rz. 71
Insbesondere in Verfahren, in denen Anwaltszwang herrscht, kann daher auch der Missbrauch der Fernsignatur (beA) (d.h. Nutzung durch andere als den Signaturberechtigten) zur Unwirksamkeit von Rechtshandlungen führen. Der BGH hat hierzu schon 2010 entschieden:
Zitat
"Bei einer elektronisch übermittelten Berufungsbegründung muss die qualifizierte elektronische Signatur grundsätzlich durch einen zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt erfolgen. Dieses Formerfordernis ist jedenfalls dann nicht gewahrt, wenn die Signatur von einem Dritten unter Verwendung der Signaturkarte des Rechtsanwalts vorgenommen wird, ohne dass dieser den Inhalt des betreffenden Schriftsatzes geprüft und sich zu eigen gemacht hat."
Rz. 72
Auch bei Einreichung nach den allgemeinen Vorschriften (= sog. schriftliche Einreichung) gem. § 130 Nr. 6 ZPO im Original oder per Fax (seit 1.1.2022 nur noch als Ersatzeinreichung gem. § 130d S. 2 ZPO zulässig) muss eine eigenhändige Unterschrift des Anwalts angebracht werden. Nach Ansicht des BGH muss daher auch bei elektronischer Einreichung die qeS, um gleichwertig zur eigenhändigen Unterschrift des Anwalts zu sein, vom Anwalt selbst angebracht werden. Die Ausführung des BGH,
Zitat
"Dieses Formerfordernis ist jedenfalls dann nicht gewahrt, wenn die Signatur von einem Dritten unter Verwendung der Signaturkarte des Rechtsanwalts vorgenommen wird, ohne dass dieser den Inhalt des betreffenden Schriftsatzes geprüft und sich zu eigen gemacht hat",
bedeutet unseres Erachtens nicht, dass die Anbringung der qeS durch eine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter dann erlaubt ist, wenn der Anwalt vor Anbringung der qeS den Schriftsatz nochmals geprüft hat. Diese Rechtsprechung ist unseres Erachtens auf die beA-Karte basis anwendbar, weil durch diese nach § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO ebenfalls ein Schriftsatz verantwortet werden kann (Erzeugung des VHN bei Eigenversand, siehe § 11 Rdn 122 f. in diesem Werk).
Rz. 73
Zum Thema Blankounterschrift (Schriftform): Die Verwendung einer Blankounterschrift ist nur dann zulässig, wenn der Anwalt "den Inhalt des Schriftsatzes so genau festgelegt hat, dass er dessen eigenverantwortliche Prüfung bestätigen...