Torsten Bendig, Dr. iur. Matthias Keller
I. Behördliche Ermittlungsbemühungen
Rz. 9
Ansatzpunkte für anwaltliche Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Auferlegung eines Fahrtenbuchs ergeben sich aus der Frage, ob die Behörde hinreichende Ermittlungsbemühungen gezeigt hat.
Rz. 10
Unabdingbar ist es, dass die Behörde ihre diesbezüglichen Nachforschungen unverzüglich betreibt. Die Behörde muss zeitnah im Einzelfall die möglichen und nötigen Nachforschungen nach dem Fahrer unternommen haben. Ein Anhörungsbogen soll grundsätzlich der Person, auf die das Fahrzeug zugelassen ist, innerhalb von zwei Wochen nach der Zuwiderhandlung zugegangen sein. Eine starre Grenze ist andererseits wiederholt abgelehnt worden. Ein Berufen auf einen überdurchschnittlich langen Zeitraum zwischen Zuwiderhandlung und erstmaliger Konfrontation des Halters mit dem Vorwurf ist nur dann zielführend, wenn der Halter sich im Verwaltungsverfahren darauf beruft, er könne sich nach solch langer Zeit nicht mehr daran erinnern, wer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt haben könnte.
Rz. 11
Auch dies greift in den meisten Fällen dann nicht, wenn in den Anhörungsbögen ein zur Identifikation des Fahrers taugliches Fahrerbild beigefügt war. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie – insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verhaltens des Betroffenen selbst – alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen bzw. Ermittlungen angestellt hat, die erfahrungsgemäß auch Erfolg haben können. Dabei darf die Behörde den Umfang ihrer Ermittlungen insbesondere auch an den Erklärungen und am Verhalten des Halters – bei anwaltlicher Vertretung an den Erklärungen des RA – ausrichten. Wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen sind nicht zumutbar; die Behörde ist nicht verpflichtet, "ins Blaue hinein" Ermittlungen anzustellen.
II. Aussichtslose Ermittlungsbemühungen
Rz. 12
Wann es sich um eine von vornherein aussichtslose Ermittlungsbemühung handelt, ist eine Frage des Einzelfalls. Folgende von der Rechtsprechung entschiedene Anknüpfungspunkte können hier für die Argumentation herangezogen werden:
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Es kann sich beispielsweise nach Vorlage des Passfotos des dem Halter ähnlich sehenden Bruders, der als Fahrer in Betracht kommt, eine persönliche Anhörung des Bruders aufdrängen. Es kann nämlich nicht von vornherein unterstellt werden, eine Befragung des Bruders des Kfz-Halters werde hinsichtlich der Täterschaft ergebnislos bleiben. |
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Im Fall der kurzfristigen Überlassung eines Fahrzeugs an einen Unbekannten oder an eine Person, die dem Halter zwar bekannt ist, von der er aber nur den Vornamen kennt und nicht zuverlässig in der Lage ist, zu ihr erneut Kontakt aufzunehmen, muss der Halter die genaue Identität des Fahrzeugführers vorher feststellen und dokumentieren. |
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Wohnt der Halter mit anderen Personen zusammen, die das Fahrzeug gefahren haben können, so müssen diese im Regelfall befragt werden. Mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist es aber nicht geboten, in der Nachbarschaft des von der Fahrtenbuchauflage Betroffenen weitere Ermittlungen unter Vorlage des Radarfotos anzustellen. |
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Es reicht nicht aus, dass die behördlichen Ermittlungen lediglich tatsächlich möglich sind; sie müssen auch rechtlich zulässig sein (Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung wegen fehlender rechtlicher Verwertbarkeit der Feststellungen). |
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Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage ist rechtswidrig, wenn die Behörde ihrer Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Schritten zur Ermittlung des Täters einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht nachkommt. Dies ist der Fall, wenn sie den Halter eines Kfz im Ordnungswidrigkeitenverfahren, der offenkundig als Fahrer ausscheidet, nicht als Zeugen, sondern als Betroffenen anhört. Im Geg... |