Dr. Andreas Fink, Dr. iur. Simon Kohm
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 25
Der Bieter eines Vergabeverfahrens rügt mehrere Verstöße gegen vergaberechtliche Vorschriften gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber und ist der Auffassung, dass er durch die Vergaberechtsverstöße in seinen Rechten verletzt wird. Er hat einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer gestellt. Die Vergabekammer hat über diesen Antrag entschieden und ist der Auffassung, dass eine Verletzung der Rechte des Bieters nicht vorliege. Der Bieter vertritt die Ansicht, dass die Gründe, die der Entscheidung der Vergabekammer zugrunde liegen, nicht zutreffend sind.
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 26
Im Bestreben, für den Bieter eines Vergabeverfahrens einen effektiven und wirksamen Rechtsschutz zu schaffen, wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, gegen Entscheidungen einer Vergabekammer sofortige Beschwerde beim für den Sitz der Vergabekammer zuständigen Oberlandesgericht einzureichen. Dies gilt selbstverständlich auch für den öffentlichen Auftraggeber, sofern zu dessen Lasten von der Vergabekammer eine Entscheidung getroffen wurde und der Auftraggeber die Entscheidung als rechtsfehlerhaft ansieht.
Rz. 27
Für die Entscheidungen der Oberlandesgerichte sind die Vergabesenate zuständig. Länder, in denen sich mehrere Oberlandesgerichte befinden, haben gem. § 171 Abs. 4 GWB durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts bestimmt. Bei Entscheidungen der Bundesvergabekammern beim Bundeskartellamt in Bonn ist das Oberlandesgericht Düsseldorf zuständig. In einer Art Eilverfahren wird dort über die sofortige Beschwerde einer der Beteiligten entschieden. In den Kreis der Beteiligten fallen der öffentliche und der dem GWB unterliegende private Auftraggeber, die Unternehmen, die einen Antrag auf Vergabeüberprüfung gestellt haben sowie die Unternehmen, die aufgrund eines sie berührenden Interesses beigeladen wurden. Alle Entscheidungen der Vergabekammern, mit denen die Instanz abgeschlossen wird sowie Kostenentscheidungen können mit der Beschwerde angegangen werden. Die Entscheidung erfolgt durch Verwaltungsakt. Das Verfahren ist im Einzelnen in den §§ 171 ff. GWB geregelt. Insbesondere ist zu beachten, dass die sofortige Beschwerde gem. § 172 GWB innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen zu erheben und das Begehren hinreichend durch Angabe der Tatsachen und Beweise zu begründen ist. Damit die Frist zu laufen beginnt, muss die Entscheidung der Vergabekammer mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen und den Beteiligten zugestellt worden sein. Da der Bieter mit der sofortigen Beschwerde noch anstrebt, entgegen der angegriffenen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers den Zuschlag zu erhalten, und in der Regel der öffentliche Auftraggeber an der zügigen Fortsetzung seines Projektes, das dem Vergabeverfahren zugrunde liegt, interessiert ist, soll auch das Oberlandesgericht zügig zu einer Entscheidung gelangen.
Rz. 28
Zu beachten ist, dass das Oberlandesgericht gem. § 171 Abs. 2 GWB auch angerufen werden kann, wenn keine Entscheidung der Vergabekammer innerhalb einer Frist von fünf Wochen seit Eingang des Antrages erfolgt ist. In diesem Fall unterstellt § 171 Abs. 2 GWB, dass der Antrag als abgelehnt gilt. Hiergegen kann sodann die sofortige Beschwerde eingelegt werden.
Rz. 29
Von besonderer Bedeutung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem Oberlandesgericht ist die aufschiebende Wirkung gem. § 173 Abs. 1 S. 1 GWB gegenüber der Hauptsacheentscheidung der Vergabekammer. Auf Nebenentscheidungen, die zwar ebenfalls mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden können, findet § 173 Abs. 1 S. 1 GWB keine Anwendung, da diese nicht zu einem Zuschlagsverbot führen, welches verlängert werden müsste. In Fällen, in denen die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag des Bieters ablehnt, stellt sich die Frage, ob und ggf. wann der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag an den von ihm bevorzugten Bieter erteilen darf. § 173 Abs. 1 GWB regelt insofern, dass ein solcher Zuschlag bis zu einer Frist von zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht erfolgen darf. Der Antragsteller und Beschwerdeführer wird in der Regel zum Ende der Beschwerdefrist von zwei Wochen beim Oberlandesgericht eine sofortige Beschwerde einreichen. Wiederum zwei Wochen danach entfällt die aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber sodann in der Lage wäre, den Zuschlag anderweitig zu erteilen. Sofern der Beschwerdeführer weiterhin daran interessiert ist, den Zuschlag noch zu erlangen, sollte er somit mit der sofortigen Beschwerde bereits einen Antrag gem. § 173 Abs. 1 S. 3 GWB stellen. Der Antrag beinhaltet, die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde durch das Oberlandesgericht zu verlängern. Entscheidende Bedeutung kommt hier der Frage zu, ob das Oberlandesgericht über diesen Antrag noch vor Ablauf der aufschiebenden Wirkung entscheidet. Dies ist im Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben. Sofern dem Oberlandesgericht eine Entscheidung über diesen Antrag nicht bis zum Ablauf der auf...