Rz. 10
In dieser Fallgruppe geht es um die Folgen von Arbeitskämpfen für andere Betriebe oder Betriebsteile und deren Beschäftigten. Es ist mittlerweile zu einer zunehmenden, auch international geprägten Vernetzung der Wirtschaft gekommen.
Rz. 11
Nach § 615 S. 3 BGB muss der Arbeitgeber auch dann das Arbeitsentgelt zahlen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsbereit ist, der Arbeitgeber ihn aber nicht beschäftigen kann. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf ein Verschulden an. Der Arbeitgeber trägt das Betriebs- und das Wirtschaftsrisiko. Nach den Urteilen des BAG aus dem Jahr 1980 zählt der Arbeitsausfall aufgrund der arbeitskampfbedingten Fernwirkungen nicht zum allgemeinen Betriebsrisiko des Arbeitgebers, sondern zum sog. Arbeitskampfrisiko. Können diese Fernwirkungen das Kräfteverhältnis der Kampfparteien beeinflussen, so tragen beide Seiten das Arbeitskampfrisiko. Das bedeutet für die betroffenen Arbeitnehmer, dass sie für die Dauer der Störung keine Beschäftigungs- und Vergütungsansprüche haben. Eine solche Folge ist bei engen koalitionspolitischen Verbindungen der zuständigen Verbände oder wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen den betroffenen Betrieben anzunehmen. Der Arbeitgeber müsse nur dann das Entgelt zahlen, wenn die Beschäftigung möglich und wirtschaftlich zumutbar ist (BAG v. 22.2.1980, DB 1981, 321 und 327; ErfK/Linsenmaier, GG, Art. 9 Rn 137 ff.; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 33 Rn 126 ff.). Das BAG wendet diese Grundsätze auch bei Aussperrungsfolgen sowie bei Auswirkungen von Teilstreiks im Betrieb an (BAG v. 12.11.1996 – 1 AZR 364/96, DB 1997, 578).
Rz. 12
Diese Grundsätze führen zu folgenden Ergebnissen: Verbandsarbeitskämpfe innerhalb der gleichen Branche, z.B. bei einem Metallstreik in BW, hätten die Folge: Keine Abnahme von Teilen aus einem Metallbetrieb in BW oder NRW, mithin keine Lohnzahlung. Auch bei einem Teilstreik mit Auswirkungen im gleichen Betrieb ist der Lohn nicht zu zahlen. Eine Pflicht zur Lohnzahlung besteht bei Verbandsarbeitskämpfen mit Auswirkung in der gleichen Branche oder im gleichen Betrieb aber dann, wenn die Beschäftigung möglich oder zumutbar ist. Auch bei Arbeitskämpfen mit Auswirkungen auf Betriebe und Beschäftigte anderer Branchen ist das Entgelt zu zahlen.
Rz. 13
Ansprüche auf Feiertagsvergütung, Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit entfallen dann, wenn die Voraussetzungen der Arbeitskampfrisikolehre zu einem Entfallen des Entgeltanspruches führen würden. Selbst ein Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld entfällt (BAG v. 22.10.1986, DB 1987, 1364) für den Fall der Aussperrung. Urlaubsansprüche hingegen bestehen weiter. Betriebsversammlungen sind während der Zeit der sog. kalten Aussperrung möglich.