A. Anschlussberechtigung
I. Berechtigte
Rz. 1
Nach § 395 StPO kann sich im Falle einer Verletzung der Verletzte dem gegen den Täter betriebenen Verfahren als Nebenkläger anschließen. Im Falle der Tötung sind – jeder für sich – die Eltern, Kinder, Geschwister und der Ehegatte des Getöteten zur Nebenklage berechtigt (LG Kleve AnwBl 1969, 31).
Rz. 2
Achtung: Rauschtat
Auch eine Straftat nach § 323a StGB berechtigt zur Nebenklage, wenn es sich bei der Rauschtat um eines der in § 395 Abs. 1 Nr. 1 StPO bezeichneten Delikte handelt (BGH NStZ-RR 98, 305).
II. Ohne Strafantrag
Rz. 3
Die Nebenklage ist auch ohne Stellung eines Strafantrages zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse bejaht hat (KG NStZ 1991, 148; BGH VRS 83, 282).
III. Gegen Jugendliche
Rz. 4
Gegen Jugendliche ist die Nebenklage grundsätzlich unzulässig (§ 80 Abs. 3 JGG). Gegen Heranwachsende oder Erwachsene ist sie dagegen selbst dann zulässig, wenn deren Verfahren mit dem gegen einen Jugendlichen verbunden ist (LG Duisburg NJW 1994, 3305).
IV. Fahrlässige Körperverletzung
Rz. 5
Bei einer fahrlässigen Körperverletzung ist die Nebenklage nur bei Vorliegen besonderer Gründe zulässig, § 395 Abs. 3 StPO. Schwere Verletzungen werden regelmäßig als besonderer Zulassungsgrund angesehen, wohingegen das AG Bayreuth selbst bei schweren Verletzungen die Nebenklage dann nicht zulassen will, wenn der Täter kein Mitverschulden des Verletzten einwendet (DAR 1995, 503). Ist das Opfer lediglich mittelschwer oder gar nur leicht verletzt, wird die Nebenklage allenfalls dann zugelassen, wenn die Schadensregulierung noch nicht abgeschlossen ist bzw. ein Mitverschulden eingewendet wird (AG Homburg VRS 74, 43).
V. In jeder Verfahrenslage
Rz. 6
Der Nebenkläger kann den Anschluss in jeder Lage des Verfahrens erklären, selbst noch in der Rechtsmittelinstanz. Die Anschlusserklärung kann auch in der Hauptverhandlung selbst abgegeben werden (BayObLG NJW 1958, 1598).
VI. Zeitpunkt der Wirksamkeit
Rz. 7
Die Nebenklägerstellung wird mit der Anschlusserklärung begründet. Der Zulassungsbeschluss hat nur feststellende Bedeutung (OLG Stuttgart NJW 1970, 822). Im Strafbefehlsverfahren wird die Anschlusserklärung mit der Terminsanberaumung wirksam. Wird der Strafbefehl dagegen nicht angefochten, ist die Anschlusserklärung gegenstandslos. Über die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger muss vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden werden (LG Saarbrücken zfs 1997, 35).
VII. Beschwerde
Rz. 8
Gegen die Zulassung der Nebenklage können die Staatsanwaltschaft und der Angeschuldigte, gegen die Nichtzulassung kann der Nebenkläger Beschwerde einlegen, § 304 Abs. 1 StPO.
Rz. 9
Die Entscheidung über den Nebenklageanschluss eines durch die Tat Verletzten ist dagegen unanfechtbar (§ 396 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 StPO), es sei denn, dem Antragsteller ist vor der Entscheidung rechtliches Gehör verweigert worden (LG Saarbrücken zfs 1997, 35).
VIII. Adhäsionsverfahren
Rz. 10
Das Adhäsionsverfahren (§§ 403–406c StPO) ermöglicht es dem Verletzten oder seinen Erben im Strafverfahren auf weitgehend risikolosem Weg, zivilrechtliche Ansprüche gegen den Beschuldigten geltend zu machen. Da das Gesetz die Miteinbeziehung anderer (z.B. der Haftpflichtversicherung) nicht vorsieht, ist von der Durchführung des Adhäsionsverfahrens in Verkehrssachen meist abzuraten, obwohl der Strafrichter jetzt dessen Durchführung nur noch unter den engen Voraussetzungen des § 406 Abs. 1 S. 3 und 4 StPO ablehnen kann.
Rz. 11
Ausgeschlossen ist das Verfahren gegen Jugendliche (§ 81 JGG) und gegen Heranwachsende, soweit gem. § 109 Abs. 2 i.V.m. § 81 JGG Jugendstrafrecht angewandt wird (BGH StV 2003, 458).
B. Rechte des Nebenklägers
I. Taktik: Anwesenheitsrecht trotz Zeugenstellung
Rz. 12
Der Nebenkläger hat auch als Zeuge das Recht zur ununterbrochenen Anwesenheit in der Hauptverhandlung (§ 397 Abs. 1 StPO). Damit der Nebenkläger seine Zeugenaussage nicht auf die Einlassung des Angeklagten hin ausrichten kann, sollte der Verteidiger den Nebenkläger bitten, mit den Zeugen freiwillig den Saal zu verlassen. Lehnt er dies ab, kann der Angeklagte seine Aussage bis nach der Vernehmung des Nebenklägers zurückstellen.
II. Verfahrenseinstellung
Rz. 13
Der Nebenkläger hat im Falle einer beabsichtigten Verfahrenseinstellung kein Mitbestimmungsrecht. Er muss lediglich formell angehört werden (BVerfG NJW 1995, 317).
III. Verzicht auf Vernehmung präsenter Zeugen
Rz. 14
Von der Vernehmung präsenter Zeugen kann auch ohne Zustimmung des Nebenklägers abgesehen werden.
IV. Einspruchs- bzw. Berufungsrücknahme
Rz. 15
Der Angeklagte bedarf nach Eintritt in die Hauptverhandlung zur Rücknahme der Berufung bzw. des Einspruches gegen den Strafbefehl der Zustimmung des Staatsanwaltes, nicht aber der des Nebenklägers (§§ 411 Abs. 3 S. 2, 303 S. 2 StPO).
V. Rechtsmittel des Nebenklägers
Rz. 16
Achtung
Der Nebenkläger kann nur den Schuld-, nicht aber den Rechtsfolgenausspruch anfechten.
Rz. 17
Ein Rechtsmittel steht ihm ohnehin nur hinsichtlich eines zur Nebenklage berechtigenden Deliktes zu, so dass er ein Rechtsmittel dann nicht einlegen kann, wenn der Angeklagte nur wegen eines solchen nicht zum Anschluss berechtigenden Deliktes freigesprochen wurde (§ 400 Abs. 1 StPO). So kann er z.B. nicht ein Rechtsmittel einlegen mit dem Ziel, neben der Verurteilung w...