André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 393
Von besonderer Bedeutung ist die Neufassung des VVG, die ab dem 1.1.2008 in Kraft getreten ist und für den VN viele Verbesserungen brachte und für alle ab diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge gilt. Dem VR wurde gem. Art. 1 Abs. 3 EGGVG ein Zeitraum bis zum 1.10.2009 eingeräumt, innerhalb dessen er seine AGB dem neuen VVG anpassen konnte. Dabei musste er dem VN die Neufassung der AGB in Textform einen Monat vor dem Zeitpunkt zur Verfügung stellen, zu dem diese wirksam werden sollten.
So ist die Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten unwirksam, wenn der VR von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gem. Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht hat. Der VR kann deshalb bei grob fahrlässiger Verletzung vertraglicher Obliegenheiten kein Leistungskürzungsrecht gem. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG geltend machen. Auf die Verletzung gesetzlicher Obliegenheiten wie den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gem. § 81 Abs. 2 VVG kann sich der VR weiterhin berufen.
Rz. 394
Eine der zentralen Reformen des neuen VVG liegt in der Aufgabe des sog. "Alles-oder-Nichts-Prinzips". Nach neuem Recht wird bei einer Obliegenheitsverletzung ein vorsätzliches Handeln des VN nicht mehr vermutet. Vielmehr muss der VR gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG einen Vorsatz des VN beweisen. Vermutet wird allerdings gem. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG eine grobe Fahrlässigkeit des VN, sofern eine Obliegenheitsverletzung feststeht. Zugunsten des VN wird im neuen VVG auch die Möglichkeit geändert, den sog. Kausalitätsgegenbeweis zu führen. Dieser Kausalitätsgegenbeweis ist allerdings dann gem. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG ausgeschlossen, wenn der VN die Obliegenheit arglistig verletzt hat.
Rz. 395
Für alle Versicherungszweige wurden im allgemeinen Teil die Voraussetzungen für einen Vertragsabschluss neu gefasst: Das sog. "Policenmodell", wonach es genügte, wenn dem VN erst mit dem Versicherungsschein die AVB und notwendige Verbraucherinformationen mit einem 14-tägigen Widerrufsrecht zugestellt werden, wurde aufgehoben. Nunmehr ist der VR nach den §§ 6, 7 VVG verpflichtet, dem VN vor Vertragsabschluss eine Vielzahl an Verbraucherinformationen und die Versicherungsbedingungen zur Verfügung zu stellen. Ausnahmen können zwischen dem VR und dem VN individuell vereinbart werden.
Rz. 396
Von besonderer Bedeutung ist auch, dass § 215 VVG die gerichtliche Zuständigkeit neu geregelt hat. Nach § 215 Abs. 1 VVG ist für Klagen aus dem Versicherungsvertrag zusätzlich das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der VN zur Zeit der Klagerhebung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den VN ist dieses Gericht sogar ausschließlich zuständig.