André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 296
§ 9 StVG regelt gegenüber Ansprüchen aus Gefährdungshaftung den Ausgleich für den Fall, dass an der Entstehung des Schadens im Falle der Haftung gem. §§ 7, 18 StVG die Schuld des Verletzten mitwirkt. Nach § 9 StVG finden die Vorschriften des § 254 BGB Anwendung.
Voraussetzung für die Anwendung des § 9 StVG ist es eine Haftung des Schädigers nach § 7 oder § 18 StVG.
Der Verletzte ist ausgleichspflichtig, wenn er zur Entstehung des Schadens schuldhaft beigetragen hat. Auch muss sich der geschädigte Halter in erweiternder Auslegung von § 9 StVG, § 254 BGB als Insasse oder Führer eines Kfz seine Gefährdungshaltung entgegenhalten lassen, und zwar unabhängig davon, ob der Schädiger für Verschulden oder nur für Gefährdung haftet. Dies gilt jedoch nicht für den Eigentümer des Fahrzeugs. Fallen Halter und Eigentümer auseinander (wie z.B. regelmäßig beim Kfz-Leasing, wenn der Leasingnehmer der Halter, der Leasinggeber aber weiterhin Eigentümer des Kfz ist), muss sich nur der Halter, aber nicht der Eigentümer eine Betriebsgefahr und ggf. ein Verschulden zurechnen lassen. Trifft den Fahrzeugführer des Leasingfahrzeugs aber eine Mithaftung, wird der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer diesen im Innenverhältnis unter Gesamtschuldnern nach den § 17 Abs. 1, § 2 StVG, § 426 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Regress nehmen können.
Mangels schuldrechtlicher Beziehungen muss ein Minderjähriger für ein Mitverschulden, z.B. eine Aufsichtspflichtverletzung seines gesetzlichen Vertreters, nicht einstehen. Zu beachten ist, dass § 278 BGB nur anwendbar ist bei einer schuldrechtlichen Rechtsbeziehung.
Rz. 297
Für die Abwägung der Haftung bei Schadenverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge gilt § 17 StVG. Die interne Ausgleichspflicht mehrerer gesetzlicher Haftpflichtiger betrifft gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG zwei Fälle des inneren Ausgleichs, nämlich: zwei oder mehrere in Betrieb befindliche Kraftfahrzeuge (oder Anhänger) sind ursächlich unfallbeteiligt und schädigen eine Person ohne Kraftfahrzeug oder die 2. Alternative: zwei oder mehrere in Betrieb (§ 7 StVG) befindliche Kraftfahrzeuge oder Anhänger sind u.U. unterschiedlich unfallbeteiligt und verursachen einem oder einigen der Halter Personen- oder Sachschaden. In beiden Fällen kann bei oder nach Ersatzleistung innerer Ausgleich stattfinden. In § 17 Abs. 1 StVG ist der sonstige gesamtschuldnerische Ausgleich gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB für die genannten Bereiche dahingehend geändert, dass sich der Ausgleich zwischen Ihnen stattdessen nach dem Maß ihrer Verursachung des Schadens richtet, also nicht nach Kopfteilen.
Entscheidend für die Haftungsabwägung sind mithin die jeweils von den Kfz ausgehenden Betriebsgefahren, die im Zweifel als gleich groß einzuschätzen sind. Jede Partei muss so dann die für sie günstigeren Umstände beweisen, aus denen zu Lasten der Gegenseite eine erhöhte Betriebsgefahr folgt. Eine erhöhte Betriebsgefahr kann dabei sowohl aus einem Verschulden des Kfz Führers, aber auch unabhängig hiervon aus einem gefahrenträchtigen Fahrmanöver (wie bspw. einem Linksabbiegevorgang) oder auch örtlichen Umständen folgen. Wichtig ist, dass bei der Haftungsabwägung nur Umstände berücksichtigt werden können, die sich ursächlich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt haben müssen. Trifft einen Fahrzeugführer der Vorwurf eines grob fahrlässigen Verstoßes gegen Garantie- oder Kardinalpflichten der StVO (wie bspw. ein Vorfahrtsverstoß i.S.d. § 8 StVO) tritt hierhinter die einfache Betriebsgefahr des anderen Kfz zurück.