André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
1. Vorbereitung der Hauptverhandlung
Rz. 88
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Klärung von Rechtsfragen zum Verfahren und zum Sachverhalt |
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Klärung des Zieles der Verteidigung |
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Abstimmung über die Terminierung: Grds. ist ein Gericht verpflichtet, etwa 15 Minuten auf das Erscheinen des Verteidigers zu warten. Dies gilt auch im Bußgeldverfahren. |
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Vorbereitung der Beweisaufnahme, Zeugenbeweis |
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Auseinandersetzung mit bereits vorhandenen Gutachten |
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Ladung von Zeugen und Sachverständigen durch den Verteidiger gem. § 220 Abs. 1 und § 220 Abs. 2 StPO |
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Vorprozessuale Klärung mit Verfahrensbeteiligten |
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Vorbereitung der Hauptverhandlung mit dem Mandanten |
2. Hauptverhandlung
Rz. 89
Gem. § 243 Abs. 1 StPO beginnt die Hauptverhandlung mit dem Aufruf der Sache.
Fragen über etwaige Vorstrafen gehören nicht zur Vernehmung des Angeklagten oder Betroffenen zur Person, sondern beziehen sich auf den Bereich der Vernehmung zur Sache, die erst möglich ist nach der Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht, § 243 Abs. 5 StPO.
In der Hauptverhandlung erfolgt zudem die Befragungen des Angeklagten bzw. des Betroffenen über seine persönlichen Verhältnisse. Der Verteidiger sollte vorab mit dem Mandanten die Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse klären, da diese Angaben für die in Betracht kommende Geldstrafe bzw. Geldbuße von Bedeutung sind.
Rz. 90
In Verkehrsunfallangelegenheiten kann auch eine notwendige Verteidigung gem. § 140 StPO in Betracht kommen wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage.
Die Verfahrensleitung hat der Vorsitzende gem. § 238 StPO. Die Reihenfolge des Fragerechtes bestimmt sich nach § 240 Abs. 2 StPO. Der Angeklagte/der Betroffene bzw. sein Verteidiger haben nach jeder einzelnen Beweiserhebung ein Erklärungsrecht gem. § 257 Abs. 2 StPO.
Beweisanträge sind in der Hauptverhandlung zu stellen und können zu Protokoll erklärt werden. Sie sollen jedoch regelmäßig schriftlich dem Gericht übergeben werden.
Das Protokoll muss gem. § 273 Abs. 1 StPO den Gang der Hauptverhandlung im Wesentlichen wiedergeben. Hier hat der Verteidiger die Möglichkeit einen Antrag auf Protokollierung zu stellen. Der Antrag ist im vollen Wortlaut in das Protokoll aufzunehmen.
In bestimmten Grenzen sind im Strafprozess Absprachen möglich.
3. Besonderheiten der Hauptverhandlung im OWi-Verfahren
Rz. 91
Gem. § 73 Abs. 1 OWiG ist der Betroffene zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Das Gericht kann gem. § 73 Abs. 2 OWiG den Betroffenen auf seinen Antrag hin von der Verpflichtung vom persönlichen Erscheinen entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert hat oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist.
Weiterhin ist erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Antrages eine schriftliche Erklärungsvollmacht gem. § 234 StPO schriftlich bei Gericht vorliegt.
Rz. 92
Wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen, steht es nicht im Ermessen des Gerichtes, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen von der Hauptverhandlung zu entbinden, sondern das Gericht ist vielmehr verpflichtet, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden.
Die unzulässige Ablehnung des Antrags auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen kann der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren mit der Verfahrensrüge angehen.
Der Umfang der Beweisaufnahme ist im Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeschränkt, § 77 OWiG.
Es besteht die Möglichkeit bzw. die Gefahr des Übergangs in das Strafverfahren gem. § 81 OWiG. Hier muss der Verteidiger beachten, dass eine Rücknahme des Einspruchs nicht mehr möglich ist, wenn das Gericht einen Hinweis auf die mögliche Ahndung als Straftat gegeben hat.
Ein solcher Hinweis des Gerichtes ist bereits vor der Hauptverhandlung möglich. Eine Beratung des Mandanten dahingehend, dass jederzeit eine Rücknahme des Einspruchs im Ordnungswidrigkeitenverfahren möglich wäre, ist dann ggf. unzutreffend bzw. mindestens gefährlich.
4. Möglichkeit der Absprachen
Rz. 93
Im Strafprozess, und zwar speziell im Bereich des Verkehrsstrafrechts, kann es zu Absprachen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung kommen. Hierbei sind jedoch bestimmte Regeln und Einschränkungen zu beachten. Das Gericht darf im Rahmen einer Urteilsabsprache an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichtes nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken.
Der Rechtsmittelberechtigte ist zudem nach jedem Urteil über das mögliche Rechtsmittel zu belehren.