André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
1. Straßenverkehrshaftungs- und Sozialrecht
Rz. 298
Auch bei der Abwicklung von Ansprüchen aus Anlass eines Straßenverkehrsunfalls kommen für den Geschädigten nicht nur Ansprüche gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung in Betracht. Vielmehr ist auch daran zu denken, dass für den Geschädigten und Angehörige bzw. Hinterbliebene Ansprüche auf soziale Leistungen gegeben sind, so z.B. nach SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende.
2. Anspruchsübergang und Regress des Sozialversicherungsträgers
Rz. 299
Zu vergegenwärtigen ist, dass bei Leistungsansprüchen gegenüber sozialen Leistungsträgern diese gegenüber dem Schädiger im Rahmen der gegebenen Verantwortlichkeit Regressansprüche haben. Nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch eines Versicherten auf Ersatz seines Schadens insoweit auf den Träger der Sozialversicherung (SVT) bereits zum Zeitpunkt des Schadenseintritts über, als dieser nach sozialrechtlichen Vorschriften Leistungen zu gewähren hat. Begrenzt ist der Regress einerseits durch die Höhe der erbrachten Leistungen und zum anderen durch die Höhe des Schadensersatzanspruchs des Versicherten. Die Legalzession bezweckt eine Doppelentschädigung des Versicherten oder seiner Hinterbliebenen zu vermeiden, ohne den Schädiger zu entlasten. Die Leistungen des SVT sollen dem Schädiger nicht zugutekommen.
Der Übergang von Schadensersatzansprüchen nach § 116 Abs. 1 SGB X vollzieht sich demnach grds. schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses, soweit der Sozialversicherungsträger dem Geschädigten möglicherweise in Zukunft Leistungen zu erbringen hat, die sachlich und zeitlich mit den Erstattungsansprüchen des Geschädigten kongruent sind. Dabei reicht selbst eine weit entfernte Möglichkeit des Eintritts solcher Tatsachen aus, aufgrund derer Versicherungsleistungen zu erbringen sein werden; es darf die Entstehung solcher Leistungspflichten nur nicht völlig unwahrscheinlich, also geradezu ausgeschlossen sein.
Hierin liegt gleich in doppelter Hinsicht ein Unterschied zu anderen gesetzlichen Forderungsübergängen wie bspw. demjenigen nach § 86 VVG: Der Übergang findet nicht später bei einer Zahlung des Dritten statt, sondern bereits zum Unfallereignis dem Grunde nach und erst einmal unabhängig davon, in welcher Höhe zu welchem Zeitpunkt tatsächlich geleistet wird. Entscheidend bleibt insoweit die gesetzlich geschuldete Leistung des Sozialversicherungsträgers. Der Forderungsübergang ist jedoch auflösend bedingt; die Bedingung tritt nicht ein, wenn der Sozialversicherungsträger nicht geleistet hat und feststeht, dass ihn als Versorgungsträger keine Leistungspflicht mehr trifft.