a) Verhindern des erlaubten Überholens
Rz. 30
Das Verhindern des Überholens durch verkehrswidrige Fahrweise kann zwar auch nach der Sitzblockadeentscheidung noch strafbare Nötigung sein, es müssen dann allerdings besondere Umstände gegeben sein (OLG Düsseldorf NZV 2000, 301).
Rz. 31
Bereits vor der Sitzblockadeentscheidung hatte der BGH (NJW 1963, 1629) die Auffassung vertreten, dass eine nur kurzfristige Sperrung der Überholspur aus "einer vorübergehenden Unmutsaufwallung" nicht verwerflich sei, weil damit der andere Verkehrsteilnehmer nur geärgert werden solle.
Rz. 32
Insbesondere scheidet in solchen Fällen Verwerflichkeit aus, wenn das Überholen nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit möglich wäre (BGH NJW 1987, 913), wobei kurzzeitige Behinderungen generell den Tatbestand der Nötigung nicht erfüllen können (OLG Stuttgart VRS 80, 345).
Rz. 33
Das alles gilt aber nur so lange, wie nicht andere Verkehrsteilnehmer konkret oder erheblich gefährdet werden. Ist dies der Fall, muss zumindest eine Nötigung auch dann bejaht werden, wenn der Täter die – im Lichte der neueren BGH-Rechtsprechung – hohen Anforderungen des § 315b StGB nicht erfüllt, also nicht mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat.
Rz. 34
Insbesondere wird dies der Fall sein können bei völlig grundlosem und länger andauerndem Verhindern des Überholens (BGHSt 18, 389; 19, 263; OLG Düsseldorf NZV 2001, 301), denn dann handelt es sich um eine den Tatbestand erfüllende schikanöse Fahrweise. Auch dass der Täter den anderen Verkehrsteilnehmer nur schulmeistern will, lässt die Verwerflichkeit per se nicht entfallen.
Rz. 35
Voraussetzung ist aber auch hier, dass erschwerende Umstände von besonderem Gewicht hinzukommen, wie z.B. absichtliches Langsamfahren oder beharrliches Linksfahren auf freier Autobahn (OLG Düsseldorf DAR 2000, 367; BayObLG NJW 2002, 628), wenn auch Bedenken dagegen bestehen, ein solches Verhalten unter den Gewaltbegriff zu subsumieren.
Rz. 36
Jedenfalls ist im Falle eines vorausgegangenen Fehlverhaltens des "Genötigten" bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit selbst dann auf alle Umstände des Einzelfalles abzustellen, wenn dem Verhalten des Täters als Beweggrund die "Absicht der Reglementierung" zugrunde lag, z.B. nach vorausgegangenem Unterschreiten des Sicherheitsabstandes durch den Nachfolgenden (OLG Köln NZV 1993, 36).
b) Unerlaubtes Überholen
Rz. 37
Der Bundesgerichtshof verneint die Verwerflichkeit, wenn der nachfolgende Fahrer lediglich am Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gehindert werden soll (BGH zfs 1987, 127).
c) Massive Geschwindigkeitsreduzierung
Rz. 38
Nach Auffassung des BayObLG (zfs 2002, 41) soll Nötigung nicht nur dann gegeben sein, wenn der Täter den Nachfolgenden zu einer Vollbremsung oder zum Anhalten zwingt, sondern auch dann, wenn er ohne verkehrsbedingten Grund seine Geschwindigkeit massiv reduziert, um den Nachfolgenden zu einer unangemessen niedrigen Geschwindigkeit zu zwingen und dieser aufgrund der Verkehrsverhältnisse nicht ausweichen oder überholen kann.