I. Bewusstes Versperren des Weges
1. Durch Fußgänger
Rz. 8
Mit Blick auf die Sitzblockadeentscheidung kann dann, wenn die Handlung des Fußgängers lediglich in seiner körperlichen Anwesenheit besteht und deshalb die Zwangswirkung auf den Kraftfahrer nur psychischer Natur ist, der Tatbestand der Nötigung nicht bejaht werden (BGH StV 2002, 360).
Rz. 9
Das gilt z.B. auch dann, wenn der Fußgänger eher zu Demonstrationszwecken auf der Fahrbahn geht, um den Fahrzeugverkehr zu behindern (Münchner Straßengeherfall, BGHSt 41, 231). Legt sich ein Fußgänger dann jedoch, nachdem der Kraftfahrer angehalten hat, mit dem Körper auf die Motorhaube des Pkw, um den Fahrer an der Weiterfahrt zu hindern, liegt Nötigung vor (BGH NStZ-RR 2002, 236).
2. Mit Fahrzeug
Rz. 10
Das bewusste Versperren des Weges durch Schaffung eines Hindernisses mittels eines Fahrzeuges stellt eine Gewaltanwendung dar (OLG Köln DAR 2004, 459; VRS 2004, 104). Das gilt erst recht, wenn das gegnerische Fahrzeug gerammt wird, um es an der Weiterfahrt zu hindern (BGH NStZ-RR 2001, 298).
3. Versperren von Einfahrten bzw. Zuparken
Rz. 11
Wenn der Eingriff nur von kurzer Dauer ist, wird das für den Einsatz des Strafrechts erforderliche Gewicht fehlen, so z.B. bei einem sechs Minuten dauernden Anhalten eines Lkws auf der Überholfahrbahn der Autobahn in Annäherung an eine Engstelle (LG Dresden NZV 1998, 83).
Rz. 12
Bei einer länger andauernden Blockade kann dagegen eine Nötigung vorliegen (OLG Koblenz VRS 20, 436; OLG Düsseldorf VRS 73, 283), dies allerdings nur dann, wenn es dem Täter über den bloßen Sachentzug hinaus gerade auf die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Geschädigten ankommt.
II. Schneiden nach Überholvorgang
Rz. 13
Schneidet ein Kraftfahrer den Überholten, liegt nach wie vor Gewalt und damit Nötigung vor (OLG Köln NZV 1995, 405; OLG Stuttgart NJW 1995, 2647).
Allerdings setzt die Nötigung als Tathandlung die Gewaltanwendung oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel voraus. Das kann dann nicht bejaht werden, wenn der Überholer bei stockendem Verkehr in eine Fahrzeugkolonne einschert (OLG Köln DAR 2000, 84).
Rz. 14
Achtung: Rücksichtsloses Überholen nicht immer Nötigung
Nicht jeder vorsätzliche Regelverstoß ist eine Nötigung. Eine solche liegt nur dann vor, wenn die Einwirkung auf andere Verkehrsteilnehmer nicht bloße Folge, sondern das Ziel des Handelns war. Dies kann bei "bloßem" rücksichtslosem Überholen meist nicht angenommen werden (OLG Düsseldorf NZV 2007, 585).
III. Kolonnenspringen
Rz. 15
Das sog. Kolonnenspringen kann unter der Voraussetzung, dass entgegenkommende oder überholte Fahrzeuge zumindest bewusst vorsätzlich zum starken Bremsen gezwungen werden, eine strafbare Nötigung darstellen.
IV. Fahrbahnwechsel oder "Ausbremsen"
Rz. 16
Wird ein Fahrbahnwechsel absichtlich in so kurzer Entfernung vor dem von hinten Herannahenden durchgeführt, dass dieser scharf bremsen muss, liegt ebenso Nötigung vor, wie wenn der Nachfolgende wegen des absichtlich grundlos abbremsenden Vordermannes gleichfalls scharf abbremsen muss (BGH DAR 1995, 296; OLG Stuttgart DAR 1995, 261; OLG Köln NZV 2000, 99; BayObLG NJW 2002, 628).
Rz. 17
Dabei kann nicht jeder Abbremsvorgang unter den Nötigungsbegriff subsumiert werden, es kommt immer auf die Intensität des Bremsens an, wobei allerdings nicht ein Abbremsen bis zum Stillstand abgenötigt werden muss (BayObLG DAR 2002, 79).
Gewalt kann deshalb z.B. dann nicht bejaht werden, wenn der Überholer den Überholten wegen Gegenverkehrs zum Ausweichen an den äußersten Fahrbahnrand und zum leichten Abbremsen zwingt, um ein gefahrloses Passieren des Gegenverkehrs zu ermöglichen (OLG Karlsruhe Verk. Mitt. 1999, 31; OLG Köln NZV 2000, 99).
Gewalt liegt auch im Falle eines bloßen "Herunterbremsens" dann nicht vor, wenn dem Nachfolgenden eine unproblematische Ausweichmöglichkeit bleibt (OLG Celle zfs 2009, 173).
Rz. 18
Achtung: Antippen der Bremse
Im bloßen Aufleuchtenlassen der Bremslichter (Antippen der Bremse ohne eigentliche Fahrtverlangsamung) liegt keine Nötigung, denn die Wirkung eines kurz aufleuchtenden Bremslichtes erschöpft sich alleine in einer psychischen Zwangseinwirkung, die die vom BVerfG definierte Schwelle zur Gewaltanwendung noch nicht überschreitet (OLG Köln NZV 1997, 318).
Das OLG Karlsruhe (NZV 1991, 234) geht sogar davon aus, dass bei zu dichtem Auffahren des Hintermannes der Gebrauch des Bremslichtes als Warnzeichen zulässig sei.
V. Dichtes Auffahren
1. Allgemeines
Rz. 19
Die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung subsumierte auch nach dem Sitzblockadebeschluss dichtes Auffahren unter wesentlicher Verkürzung des Sicherheitsabstandes unter den Gewaltbegriff (OLG Karlsruhe StraFo 1998, 97; OLG Köln DAR 2007, 39). Das hat auch das BVerfG (zfs 2007, 352) gebilligt.
Rz. 20
Allerdings genügt die Feststellung des dichten Auffahrens alleine auch hier nicht. Es sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die gefahrenen Geschwindigkeiten, die Abstände der Fahrzeuge zueinander sowie die Dauer bzw. die Streckenlänge des bedrängenden Auffahrens von Bedeutung, denn nur so kann festgestellt werden, ob das Verhalten des Auffahrenden den der körperlichen Zwangseinwirkung v...