I. Quotenvorrecht/Differenztheorie
Rz. 64
Nach einem Unfall hat ein Versicherungsnehmer, der eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat, die Möglichkeit, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen und/oder seine Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend zu machen.
Liegt eine Mithaftung des Versicherungsnehmers bezüglich des Unfallgeschehens vor, ist es i.d.R. sinnvoll, die Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen und Schadenersatzansprüche bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend zu machen.
In derartigen Fällen wirkt sich das Quotenvorrecht zugunsten des Versicherungsnehmers aus, der vollen Schadenersatz auch bei einer erheblichen Mithaftung erreichen kann: Zwar gehen die Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers auf die Kaskoversicherung über, soweit diese den Schaden ersetzt, aber nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers (§ 86 VVG).
Ein Versicherungsnehmer kann nach Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung die Differenz zwischen dem kongruenten Fahrzeugschaden und der Leistung des Kaskoversicherers gegenüber dem Haftpflichtversicherer ungekürzt geltend machen. Die Haftungsquote des Haftpflichtversicherers bildet die Obergrenze.
Rz. 65
Zum unmittelbaren (kongruenten und übergangsfähigen) Schaden gehören die Reparaturkosten, die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und der merkantile Minderwert. Diese Rechtsprechung darf jedoch nicht, wie es in der Praxis häufig geschieht, dahin gehend missverstanden werden, dass diese Positionen Gegenstand der Kaskoversicherung geworden sind; vielmehr werden sie bei der Geltendmachung des Differenzschadens gegenüber dem Haftpflichtversicherer zugunsten des Versicherungsnehmers bei der Anrechnung der Kaskoentschädigung berücksichtigt. Der Versicherungsnehmer kann daher bis zur Grenze der Mithaftungsquote des Unfallgegners die Selbstbeteiligung, die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und den merkantilen Minderwert geltend machen.
Rz. 66
Dagegen werden vom Rechtsübergang nicht betroffen der Nutzungsausfall, die Mietwagenkosten, die Unkostenpauschale und eventuelle Fahrtauslagen. Diese Positionen sind vom gegnerischen Haftpflichtversicherer unabhängig von der Leistung des Kaskoversicherers entsprechend der Haftungsquote zu regulieren.
II. Beispiel
Rz. 67
Reparaturkosten |
6.000 EUR |
Merkantiler Minderwert |
500 EUR |
Nutzungsentschädigung |
400 EUR |
Sachverständigenkosten |
300 EUR |
Abschleppkosten |
200 EUR |
Insgesamt |
400 EUR. |
Hierauf leistet die Vollkaskoversicherung |
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(Fahrzeugschaden 6.000 EUR |
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abzüglich Selbstbeteiligung 1.000 EUR) |
5.000 EUR. |
Bei einer Mithaftungsquote von 50 % wäre es falsch, lediglich 50 % der vorgenannten Positionen gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend zu machen.
Richtig ist vielmehr die Abrechnung nach Quotenvorrecht/Differenztheorie. Der kongruente Fahrzeugschaden errechnet sich wie folgt:
Reparaturkosten |
6.000 EUR |
Merkantiler Minderwert |
500 EUR |
Sachverständigenkosten |
300 EUR |
Abschleppkosten |
200 EUR |
Insgesamt |
7.000 EUR. |
Bei einer Mithaftungsquote von |
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50 % könnte der Versicherungsnehmer gegenüber dem |
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Haftpflichtversicherer |
3.500 EUR |
geltend machen. Sein verbleibender, |
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von der Kaskoversicherung nicht gedeckter (kongruenter) |
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Schaden beträgt (7.000 EUR abzüglich 5.000 EUR) |
2.000 EUR, |
so dass er in dieser Höhe einen Entschädigungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer hat. |
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Bei einer Haftungsquote von 20 % beschränkt sich der Anspruch auf diese Quote des kongruenten Schadens: 20 % von 7.000 EUR = 1.400 EUR.
Außerdem erhält der Versicherungsnehmer vom Haftpflichtversicherer die jeweilige Quote der Nutzungsentschädigung oder Mietwagenkosten (also im vorliegenden Beispiel bei einer Quote von 50 % 200 EUR der Nutzungsentschädigung und einer Mithaftungsquote von 20 % 80 EUR der Nutzungsentschädigung).
Für die Praxis empfiehlt sich im Regelfall folgende Bearbeitung:
1. |
Geltendmachung der Kaskoentschädigung beim Kaskoversicherer. |
2. |
Geltendmachung des restlichen kongruenten Schadens gegenüber dem Haftpflichtversicherer, und zwar wie folgt: |
Selbstbeteiligung |
1.000 EUR |
Merkantiler Minderwert |
500 EUR |
Sachverständigenkosten |
300 EUR |
Abschleppkosten |
200 EUR |
Insgesamt |
2.000 EUR |
Diese Positionen muss der Haftpflichtversicherer regulieren bis zur Quote des Betrages, für den er einzustehen hat, und zwar ohne Rücksicht auf die Leistungen des Kaskoversicherers. Die weiteren Schadenspositionen (Mietwagenkosten, Nutzungsentschädigung, Unkostenpauschale, Schmerzensgeld usw.) richten sich nach der Haftungsquote des Haftpflichtversicherers.
III. Differenzberechnung
Rz. 68
IV. Quotenvorrecht/Differenztheorie
1. Beispiel 1
Rz. 69
Haftungsquote 50 % – Abrechnung nach Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung
2. Beispiel 2
Rz. 70
Haftungsquote 20 % – Abrechnung nach Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung