Rz. 5
Gegenstand des Versicherungsvertragsrechts sind die vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten der Vertragsparteien; dies sind i.d.R. Versicherer und Versicherungsnehmer, aber auch Dritte (z.B. Versicherte, Risikopersonen, Begünstigte, Repräsentanten) können in einen Versicherungsvertrag einbezogen werden.
1. Zustandekommen des Versicherungsvertrages
Rz. 6
Ein Versicherungsvertrag kann – wie die meisten anderen privatrechtlichen Verträge – ausdrücklich oder stillschweigend, förmlich oder formlos geschlossen werden. Abweichende Formvereinbarungen sind zulässig. Wenn die AVB Schriftform vorsehen, muss dies auch aus dem Antragsformular zu erkennen sein. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt auch im Versicherungsrecht, so dass es dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer freisteht, ob und mit welchem Inhalt eine Versicherung abgeschlossen wird. Eine Ausnahme bildet § 5 PflVG, der den Kfz-Versicherern eine Abschlusspflicht für die Kfz-Haftpflichtversicherung auferlegt (Kontrahierungszwang).
Rz. 7
Der Versicherungsvertrag kommt wie jeder andere Vertrag durch Annahme eines Antrages zustande (§ 151 BGB). IdR ist der Versicherer der Annehmende, dessen Annahmefrist identisch ist mit der Frist, während der der Versicherungsnehmer an den Antrag gebunden ist. Der Antrag kann auch schlüssig durch Übersendung der Versicherungspolice angenommen werden.
Rz. 8
Wird der Versicherungsantrag verspätet angenommen, so liegt in der verspäteten Annahme oder der Übersendung des Versicherungsscheines ein neuer Antrag des Versicherers auf Abschluss des Vertrages. § 150 Abs. 1 BGB findet unmittelbar Anwendung. Irrtümlich angeforderte oder einbehaltene Prämienzahlungen führen nicht zu einem konkludenten Abschluss eines Versicherungsvertrages oder der Fortsetzung eines gekündigten Versicherungsvertrages.
2. Widerruf (§ 8 VVG)
Rz. 9
Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen in Textform widerrufen. Eine Begründung ist nicht erforderlich. Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer den Versicherungsschein und sämtliche Vertragsunterlagen mit einer deutlich gestalteten Belehrung über das Widerrufsrecht erhalten hat. Wenn die Unterlagen gem. § 8 Abs. 2 VVG nicht oder nicht vollständig übersandt werden, kann der Versicherungsnehmer jederzeit, auch nach Ablauf von mehreren Jahren, den Vertrag widerrufen. Insoweit besteht ein "ewiges Widerrufsrecht".
Dieses Widerrufsrecht besteht nicht bei Versicherungsverträgen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat und Versicherungsverträgen über eine vorläufige Deckung.
3. Prämie
Rz. 10
Die Pflicht des Versicherungsnehmers, die vereinbarte Prämie zu zahlen (§ 1 Abs. 2 VVG) ist die vertragliche Hauptverpflichtung des Versicherungsnehmers und eine echte Rechtspflicht, die eingeklagt und schuldhaft verletzt werden kann. Prämienschuldner ist der Versicherungsnehmer; aber auch Bezugsberechtigte und Pfandgläubiger können Prämien zahlen, um den Fortbestand des Versicherungsvertrages zu sichern. § 34 VVG ändert insoweit §§ 267, 268 BGB ab. Die Prämie ist eine Geldschuld und somit eine Schickschuld (§ 36 VVG). Einzahlungen beim Schalterbeamten, Abbuchung vom Konto oder Übersendung eines Schecks (der auch tatsächlich eingelöst wird) bewirken rechtzeitige Zahlung. Entscheidend für die rechtzeitige Zahlung ist die nachweisliche Einreichung des Überweisungsauftrages, nicht die Gutschrift beim Versicherer.
4. Überversicherung (§ 74 VVG)
Rz. 11
Eine Überversicherung wird i.d.R. irrtümlich oder in betrügerischer Absicht vorgenommen; sie kann aber auch durch Wertverfall der versicherten Sachen eintreten. Eine betrügerische Überversicherung führt zur Nichtigkeit des Vertrages, der Versicherer darf jedoch die Prämie bis zu dem Zeitpunkt behalten, zu dem er von den die Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt (§ 74 Abs. 2 VVG). Bei einfacher (nicht betrügerischer) Überversicherung wird die Prämie mit sofortiger Wirkung verhältnismäßig gemindert (§ 74 Abs. 1 VVG). Eine Überversicherung wird nur dann angenommen, wenn die Versicherungssumme den Versicherungswert erheblich übersteigt (§ 74 Abs. 1 VVG). Nach der bisherigen Rechtsprechung zur festen Taxe (§ 76 VVG) ist eine Abweichung von 10 % und weniger unerheblich, eine Abweichung von 25 % und mehr als erheblich anzusehen. § 74 VVG ist eine halbzwingende Vorschrift, die also auch durch vertragliche Vereinbarung nicht abgeändert werden kann (§ 87 VVG). Bei einfacher Überversicherung wird die Prämie verhältnismäßig gemindert (§ 74 VVG).
5. Unterversicherung (§ 75 VVG)
Rz. 12
In der Praxis bedeutsamer ist die Unterversicherung, die insbesondere in der Hausratversicherung leicht eintreten kann. Die meisten Verträge sehen daher zwischenzeitlich eine automatische Anpassungsklausel vor. Grds. ist es Sache des Versicherungsnehmers, den Wert der versicherten Sache anzugeben und für ausreichenden Versicherungsschutz zu sorgen. Wenn der Versicherer oder sein Age...