I. Ausschließliche Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 ArbGG
Rz. 1
Die Gerichte für Arbeitssachen – die ArbGe als Eingangsgerichte, die LAGe als Berufungsinstanz und das BAG als Revisionsinstanz – sind ausschließlich zuständig für die ihnen nach § 2 Abs. 1 ArbGG zugewiesenen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. In diesen Angelegenheiten findet das Urteilsverfahren statt.
Daneben sind die ArbG für die nach § 2a ArbGG im Beschlussverfahren auszutragenden Streitigkeiten nach dem BetrVG und anderen kollektivrechtlichen Bestimmungen einschließlich der Entscheidung über die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung ausschließlich zuständig. Nicht zuständig sind die ArbGe dagegen für Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsrecht; insoweit ist der Rechtsweg zu den VGen eröffnet.
Die Verfahrensart – Beschluss- oder Urteilsverfahren – richtet sich nach den Streitgegenständen. Bei mehreren Streitgegenständen kann eine Trennung und gesonderte Entscheidung notwendig sein. Über die Frage, in welcher Verfahrensart ein Rechtsstreit auszutragen ist, ist von Amts wegen zu entscheiden.
Rz. 2
Fällt eine Streitigkeit nach diesen Bestimmungen in die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit, ist es den Parteien bzw. den am Beschlussverfahren Beteiligten verwehrt, eine Vereinbarung darüber zu treffen, den Streit vor einem Gericht eines anderen Rechtswegs, etwa vor dem AG, dem VG oder dem SG auszutragen. Auch durch sog. rügeloses Einlassen vor einem solchen Gericht kann dessen Zuständigkeit nicht wirksam begründet werden. Allein die Abs. 2 bis 4 des § 2 ArbGG eröffnen gewisse Spielräume zugunsten der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit (Rdn 32 ff.).
II. Ausschließliche Zuständigkeit im Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 1 ArbGG
1. Bürgerliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
Rz. 3
Der § 2 Abs. 1 ArbGG zählt zehn Fallgruppen auf, für die ausschließlich die Gerichte für Arbeitssachen im Urteilsverfahren zuständig sind. Praktisch am bedeutsamsten ist § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, der die ausschließliche Zuständigkeit begründet für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
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aus dem Arbeitsverhältnis, |
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über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses, |
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aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen, |
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aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, |
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über Arbeitspapiere. |
In diesen Fällen und auch in den weiteren Fallgruppen des § 2 Abs. 1 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen nur zuständig für bürgerliche Streitigkeiten.
Rz. 4
Eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 ArbGG ist gegeben, wenn der Streitgegenstand eine unmittelbare Rechtsfolge des Zivilrechtes darstellt (BAG v. 22.9.1999, NZA 2000, 55; BAG v. 19.8.2008, NZA 2008, 1313). Dagegen liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn die Parteien sich in einem Über-/Unterordnungsverhältnis gegenüberstehen. Entscheidend ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird (GmS OGB v. 10.4.1986, BGHZ 97, 312; BAG v. 22.11.2016 – 9 AZB 41/16, NZA 2017, 581–584). Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechtes geprägt wird. Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten sind die VGe, SGe oder FGe zuständig.
Beispiel
Empfänger von Alg II, die entsprechend § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung beschäftigt werden (sog. Ein-Euro-Jobs), haben (erfolglos) versucht, vor den Gerichten für Arbeitssachen die "normale" Arbeitsvergütung einzuklagen mit der Begründung, sie seien über die Zulässigkeitsschranken des § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II hinaus unterschiedslos wie alle anderen Arbeitskollegen auch tätig.
Das BAG hat in seinem Urt. v. 26.9.2007 (5 AZR 857/06, NZA 2007, 1422) entschieden, dass Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ein von Rechtssätzen des öffentlichen Rechtes geprägtes Rechtsverhältnis begründen. Der Sinn des in § 16 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 SGB II normierten Ausschlusses eines Arbeitsverhältnisses bestehe gerade darin, ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis überhaupt auszuschließen. Die ArbGe sind daher für solche Streitigkeiten nicht zuständig.
a) Arbeitnehmerbegriff als Anknüpfung für die Zuständigkeit
Rz. 5
Für die Beurteilung der Frage, ob eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorliegt, bildet der Arbeitnehmerbegriff den zentralen Anknüpfungspunkt für die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit. Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG sind nach dessen § 5 Abs. 1 S. 1 Arbeiter und Angestellte sowie die zur Berufsausbildung Beschäftigten. Weil in der Vorschrift nicht näher definiert, ist vom allgemeinen Arbeitnehmerbegriff auszugehen. Arbeitnehmer ist danach, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags in persönlicher Abhängigkeit weisungsgebundene fremdbestimmte Arbeit für einen Dritten, den Arbeitgeber, leistet (BAG v. 22.11.2016 – 9 AZB 41/16; vgl. ausführlich § 16 Rdn 77 ff.).
Arbeitgeber ist demgegenüber, wer zumindest einen Arbeitnehmer beschäftigt (BAG v. 15.3.2011, NZA 2011, 653).
Rz. 6
Zu den Arbeitnehmern i.S.d. ArbGG zählen auch die zu ...