Rz. 46

Die Benutzung einer Bundesfernstraße zum Aufstellen einer "Großanschlagtafel" stellt auch dann eine Sondernutzung dar, wenn die Anschlagtafel nur geringfügig in den öffentlichen Verkehr hineinragt. Die Annahme einer Sondernutzung auch in Fällen geringfügiger Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs widerspricht nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch der Zwang zur Einholung einer Erlaubnis und zur Entrichtung einer Gebühr verstößt gleichfalls nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.[81]

 

Rz. 47

Neben der Frage der Sondernutzung kann sich in diesem Zusammenhang auch die Problematik um eine Beseitigungsanordnung für eine Werbeanlage am Straßenrand aufgrund § 33 Abs. 2 S. 1 StVO oder aufgrund landesbauordnungsrechtlicher Vorschriften stellen.[82]

Nach § 33 Abs. 2 S. 1 StVO, wonach "Einrichtungen", die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen i.S.d.§§ 36 bis 43 StVO gleichen, mit ihnen verwechselt werden oder deren Wirkung beeinträchtigen können, dort nicht angebracht werden dürfen, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können, sollen Eingriffe in die Beschilderung an öffentlichen Straßen – im gravierendsten Fall bis zur Wirkungslosigkeit wegen "Verdeckung" – durch "private Verkehrszeichen" verhindert werden. Ob ein Verstoß gegen landesrechtliche Bauordnungsvorschriften, wonach Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen beziehungsweise diesen generell gleich gestellte Werbeanlagen nicht gefährdet werden dürfen (vgl. z.B. §§ 17, 12 SaarlLBO), vorliegt, lässt sich nur anhand der Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls, d.h. zum einen nach der jeweiligen Ausgestaltung der Anlage und zum anderen anhand der verkehrlichen Situation in ihrer konkreten Umgebung beurteilen.[83] ,[84]

In innerstädtischen Bereichen gehören Werbeanlagen im Umfeld von öffentlichen Straßen gewissermaßen zur "Normalität", so dass im Regelfall erwartet werden kann, dass der durchschnittliche und verantwortungsbewusste Verkehrsteilnehmer grundsätzlich in der Lage ist, seine Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr und nicht neben der Straße auf Privatgrundstücken errichteten Werbeanlagen zu widmen. Daher kann Werbeanlagen nur ausnahmsweise eine Ablenkungswirkung beziehungsweise eine dadurch hervorgerufene Verkehrsgefährdung beigemessen werden, wenn die jeweilige Anlage in ihrer konkreten Gestaltung oder von ihrem Anbringungsort her besonders auffällig ist und insoweit vom Üblichen stark abweicht. Bei der Beurteilung der Gefährdung der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs ist ferner generell auf das Verhalten eines verantwortungsbewussten, die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachtenden Verkehrsteilnehmers abzustellen. Etwaige Gefahren, die sich aus dem Verhalten diesen Anforderungen nicht genügender Verkehrsteilnehmer ergeben, haben hingegen außer Betracht zu bleiben.[85]

 

Rz. 48

Nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO ist außerhalb geschlossener Ortschaften jede Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton verboten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Dabei reicht im Hinblick auf den hohen Rang der Schutzgüter Leib und Leben eine abstrakte Gefahr ohne Nachweis konkret entstandener Verkehrsgefahren oder -unfälle und damit die jedenfalls nicht entfernte Möglichkeit einer verkehrsgefährdenden Ablenkung und Beeinflussung der Verkehrsteilnehmer aus.[86]

Das Verbot verkehrsgefährdender Werbung gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO greift auch jenseits des Zustimmungs- bzw. Genehmigungserfordernisses der straßenrechtlichen Regelung des § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5, Abs. 6 S. 1 FStrG für die Errichtung baulicher Anlagen oder Anlagen der Außenwerbung längs der Bundesautobahnen in einer Entfernung bis zu 100 m vom Fahrbahnrand.[87] § 9 Abs. 2 S. 3, Abs. 6 S. 3 FStrG lassen weitergehende bundes- oder landesrechtliche Vorschriften und damit auch die straßenverkehrsrechtliche Regelung des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO ausdrücklich unberührt.

Verstößt eine Werbeanlage gegen § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO, weil sie von allen drei Fahrstreifen der Autobahn gut zu sehen ist und die am Verkehr Teilnehmenden in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise ablenken oder belästigen kann, scheidet eine Ausnahmegenehmigung aus.[88]

[81] BVerwG NVwZ 1996, 1210. Vgl. dazu auch VG Ansbach ("Werbetafel an BAB"), VerkMitt. 1999, S. 71. Bei Werbeanlagen, die in den Straßenraum hineinwirken, ist auch § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO zu beachten (vgl. OVG NRW NZV 2000, 310); siehe auch OVG NRW zfs 2003, 211. Zur Zulässigkeit von Werbeanlagen bei Ablenkung von Kraftfahrern siehe allgemein Günther, Aktuelle Rechtsfragen bei neuartiger Lichtreklame, NVwZ 1995, 670; zum "Himmelsstrahler" vgl. BayVGH zfs 1996, 276; OVG NRW NVwZ 1995, 718.
[82] Dazu im Folgenden: OVG Saarland, Beschl. v. 13.5.2013, 2 B 44/13; anders noch die Vorinstanz VG Saarland zfs 2013, 480.
[83] OVG Saarland, Beschl. v. 13.5.2013, 2 B 44/13.
[84] Vgl. dazu auch BayVGH, ...

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