I. Regelungsgehalt des § 46 StVO
Rz. 68
Nach § 46 Abs. 1 StVO kann die Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller in den in § 46 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 StVO bezeichneten Situationen Ausnahmen genehmigen. Der Verkehrsteilnehmer, für den die Ausnahmegenehmigung gilt, muss bestimmt und nicht bloß bestimmbar sein. Unzulässig ist eine Ausnahmegenehmigung für Gewerbetreibenden und dessen Kunden.
Rz. 69
Nach § 46 Abs. 2 StVO können die dort beschriebenen zuständigen Behörden von allen Vorschriften der StVO Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller genehmigen. Erstrecken sich die Auswirkungen der Ausnahme über ein Land hinaus und ist eine einheitliche Entscheidung notwendig, so ist das Bundesverkehrsministerium zuständig.
Rz. 70
So hat das Bundesverkehrsministerium für Fahrzeuge der Deutschen Post AG und der von ihr beauftragten Subunternehmer bestimmt, dass diese Fahrzeuge abweichend von § 41 Abs. 2 Nr. 5 S. 7 StVO a.F. Fußgängerbereiche auch außerhalb der durch Zusatzzeichen zu Zeichen 242 angeordneten Zeiten zulässigen Anlieger- und Anliefererverkehrs befahren dürfen und dass sie trotz angeordneten Haltverbots (Zeichen 283) unter bestimmten Voraussetzungen im unmittelbaren Nahbereich eines Briefkastens zur Briefkastenleerung kurzfristig halten dürfen.
Rz. 71
Für das im Rahmen dieser Ausnahmegenehmigungen auszuübende Ermessen gelten die allgemeinen Grundsätze. So muss das hier eingeräumte Ermessen insbesondere entsprechend dem Zweck des § 46 StVO ausgeübt werden.
Rz. 72
Die Vorschrift soll eine Abweichung von den generellen Bestimmungen der StVO ermöglichen, um besonderen Ausnahmesituationen Rechnung zu tragen, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten. Die Feststellung, ob ein besonderer Ausnahmefall in diesem Sinne vorliegt, setzt den gewichtenden Vergleich der Umstände des konkreten Einzelfalles mit dem typischen Regelfall voraus, der dem generellen Verbot zugrunde liegt. Die Feststellung des "besonderen Ausnahmefalles" setzt damit voraus, dass der typische Regelfall der jeweiligen Verbotsnorm ermittelt wird. Das Merkmal der Ausnahmesituation ist nicht als eigenständiges Tatbestandsmerkmal verselbstständigt worden, sondern als Bestandteil der der Behörde obliegenden Ermessensentscheidung anzusehen. Damit ist der Begriff "Ausnahme" lediglich eine Wertungsvorgabe und Bestandteil einer von der Behörde im Rahmen einer einheitlich zu treffenden Ermessensentscheidung.
Rz. 73
Es obliegt dem jeweiligen Antragsteller, die Voraussetzungen vorzutragen, welche die Ausnahmesituation belegen.
II. § 46 StVO und die Abgrenzung Straßenrecht – Straßenverkehrsrecht
1. Grundsätzliche Abgrenzung Straßenrecht – Straßenverkehrsrecht
Rz. 74
Das Straßenrecht befasst sich mit den Rechtsverhältnissen an öffentlichen Straßen; insbesondere schafft es die rechtlichen Voraussetzungen für ihre bauliche Herrichtung und regelt ihre Bereitstellung für den Verkehr durch die "Statusakte" Widmung, Einziehung bzw. Teileinziehung.
Rz. 75
Das Straßenverkehrsrecht hingegen befasst sich mit der Ordnung des Verkehrs und hat zum Ziel, die Sicherheit und Leichtigkeit zu gewährleisten; es regelt den durch die Widmung zugelassenen Verkehr unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten. Das Straßenverkehrsrecht und damit auch eine Genehmigung nach § 46 StVO darf einer straßenrechtlichen Widmung nicht zuwiderlaufen (dazu siehe § 52 Rdn 1 ff.).
2. Konzentrationswirkung der straßenverkehrsrechtlichen Ausnahme
Rz. 76
Nach § 8 Abs. 6 S. 1 FStrG und den insofern gleich lautenden landesrechtlichen straßenrechtlichen Regelungen (vgl. z.B. § 19 NdsStrG, § 18 Abs. 7 SStrG; § 19 S. 1 StrG LSA) bedarf es keiner straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis, wenn nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist. Hintergrund und Sinn dieser Regelung ist die Verfahrenskonzentration. Die Belange der für die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis zuständigen Behörde werden gewahrt, indem diese vorher zu hören ist und die von ihr geforderten Bedingungen, Auflagen und Gebühren dem Antragsteller in der Ausnahmegenehmigung aufzuerlegen sind (vgl. § 8 Abs. 6 FStrG; § 18 Abs. 1 S. 2, Abs. 7 SStrG). Diese Verfahrensko...