Peter Houben, Dr. Stephan Karlsfeld
Rz. 123
Erweist sich die Kündigung bei rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsstreites letztlich als wirksam, stellt sich die Frage, wie das aufgrund des vorinstanzlichen Urteiles durchgeführte Weiterbeschäftigungsverhältnis ggf. "rückabzuwickeln" ist. Das BAG vertritt hierzu seit dem Urteil 10.3.1987 die Auffassung, dass die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht zu geschehen hat, weil bei wirksamer Arbeitgeberkündigung kein Rechtsgrund für die Weiterbeschäftigung bestanden hat (BAG v. 10.3.1987, NZA 1987, 373 = DB 1987, 1045; vgl. auch Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigungsschutz, Rn 2134 ff.). Der an der Kündigung festhaltende Arbeitgeber habe die durch das Urteil aufgezwungene Arbeitsleistung nicht als Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen entgegengenommen. Da der Arbeitgeber eine erhaltene Arbeitsleistung nicht herausgeben kann, schulde er gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz; Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Entgeltzahlung an Feiertagen bestehen allerdings nicht, wenn sich die Kündigung als wirksam erweist (BAG v. 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, NJW 2020, 3051).
Rz. 124
Bei der Ermittlung des Wertersatzes geht das BAG in dem vorgenannten Urteil davon aus, dass der Wert der Arbeitsleistung der üblichen Vergütung entspricht. Hierzu gehöre auch eine zeitanteilige Jahressonderzahlung, wenn diese nach dem Inhalt der für das beendete Arbeitsverhältnis maßgeblichen Tarifregelung als auf den Weiterbeschäftigungszeitraum entfallender Lohn anzusehen sei und nicht etwa als Belohnung für künftige Betriebstreue. Nicht zu ersetzen sei Urlaub, der dem Arbeitnehmer für die Weiterbeschäftigungszeit nicht gewährt worden sei, weil der Arbeitgeber insoweit bei bereicherungsrechtlicher Betrachtung nichts erlangt habe, § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. In einer weiteren Entscheidung hat das BAG vertreten, der die Arbeitsleistung bestimmende Wert sei nicht immer der Tariflohn, er könne auch darüber liegen. Zunächst könne davon ausgegangen werden, was die Parteien selbst als angemessen angesehen hätten, als sie die Gegenleistung für den Wert der Arbeit vereinbarten. Der Arbeitgeber habe darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der erzwungenen Weiterbeschäftigung eine niedriger zu bewertende Arbeitsleistung erbracht hat (BAG v. 12.2.1992 – 5 AZR 297/90, NZA 1993, 177 = DB 1992, 2298).
Rz. 125
Zu betonen ist, dass vor dem Hintergrund der vom BAG abgelehnten Auffassung, das Arbeitsverhältnis werde während des Weiterbeschäftigungszeitraumes bedingt durch den endgültigen Ausgang des Kündigungsrechtsstreites fortgesetzt (BAG v. 12.2.1992 – 5 AZR 297/90, NZA 1993, 177 = DB 1992, 2298 und BAG v. 17.1.1991, NZA 1991, 769 = DB 1991, 1836), die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht nur bei der gerichtlich "erzwungenen" Weiterbeschäftigung infrage kommt. Sie ist, weil dann ein Rechtsgrund für den Leistungsaustausch vorhanden ist, nicht erforderlich, wenn die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich oder konkludent vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage fortgesetzt werden soll. Tatsächlich wird auch des Öfteren eine sog. Prozessbeschäftigung vereinbart.