Peter Houben, Dr. Stephan Karlsfeld
1. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und Vorliegen einer Kündigung
Rz. 79
Für die Anwendbarkeit des KSchG ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig, wenn er sich auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung beruft. Zur Schlüssigkeit der Kündigungsschutzklage muss er mindestens darlegen, dass
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er zu dem beklagten Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis steht, |
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ihm eine schriftliche Kündigung des Arbeitgebers erklärt worden ist, |
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bei Zugang dieser Kündigung die Wartezeit erfüllt ist, d.h. das Arbeitsverhältnis bereits sechs Monate bestanden hat und |
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er in keinem Kleinbetrieb, sondern in einem Betrieb tätig ist, in dem der Arbeitgeber i.d.R. mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt bzw. mehr als fünf, die wie er schon am 31.12.2003 beschäftigt waren. |
Außerdem muss er geltend machen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist.
Rz. 80
Hat der Arbeitnehmer bei einer Änderungskündigung das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen, muss er zusätzlich darlegen, dass und wann er den Vorbehalt ggü. seinem Arbeitgeber erklärt hat.
Außerdem muss er geltend machen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt bzw. rechtsunwirksam ist, was allerdings gem. § 4 S. 2 KSchG schon in die Antragsformulierung aufzunehmen ist.
Rz. 81
Bestreitet der Arbeitgeber, dass ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, muss der Arbeitnehmer die tatsächlichen Voraussetzungen darlegen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass er bei Zugang der Kündigung in einem Arbeitsverhältnis stand. Für die Behauptung, es handele sich bei dem Arbeitsvertrag um ein Scheingeschäft i.S.d. § 117 Abs. 1 BGB trägt allerdings der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast (BAG v. 9.2.1995 – 2 AZR 389/94, NZA 1996, 249).
Rz. 82
Beklagter einer Kündigungsschutzklage ist der Arbeitgeber. Das ist der Vertragspartner, der die Kündigung erklärt hat. Dass der Kläger den "falschen Arbeitgeber" verklagt, kommt typischerweise in Kleinbetrieben – z.B. im Gastronomiebereich – in der Weise vor, dass der Arbeitnehmer den "Geschäftsführer", den er als alleinigen Ansprechpartner im Arbeitsverhältnis erlebt hat, in der Klageschrift als beklagte Partei bezeichnet und nicht den "dahinterstehenden" Unternehmer. Die Klage gegen den falschen Arbeitgeber wahrt die Klagefrist grds. nicht. Bestreitet die beklagte Partei im Prozess, Arbeitgeber des Klägers zu sein, kommt aber u.U. eine Rubrumsberichtigung in Betracht (BAG v. 15.3.2001 – 2 AZR 141/00, NZA 2001, 1267; BAG v. 24.10.2013, DB 2014, 958 f.). Für die Parteistellung im Prozess ist nicht allein die formelle Bezeichnung der Partei in der Klageschrift maßgeblich. Ergibt sich in einem Kündigungsschutzprozess etwa aus dem der Klageschrift beigefügten Kündigungsschreiben, wer als beklagte Partei gemeint ist, so ist eine Berichtigung des Rubrums möglich, selbst wenn der Kläger im Rubrum der Klageschrift irrtümlich nicht seinen Arbeitgeber, sondern dessen Bevollmächtigten als Beklagten benannt hat. Sogar wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, kommt eine Berichtigung in Betracht, jedenfalls solange aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG, 20.2.2014 – 2 AZR 248/13, MDR 2014, 1273; BAG v. 12.2.2004, EzA KSchG § 4 n.F. Nr. 66). Aus diesem Grund sollte der Kündigungsschutzklage stets das Kündigungsschreiben als Anlage beigefügt werden.
Rz. 83
Ist streitig, ob ein Betriebsübergang eingetreten ist, kann der gekündigte Arbeitnehmer neben seiner Kündigungsschutzklage im Wege der Klagehäufung eine Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO gegen den mutmaßlichen Betriebserwerber erheben, mit dem Antrag, dass zu diesem ein Arbeitsverhältnis bestehe (BAG v. 25.2.1996, NZA 1996, 1062). Die Tatsachen, die für einen Betriebsübergang sprechen, hat der Arbeitnehmer vorzutragen.
Rz. 84
Der Arbeitnehmer muss auch darlegen und beweisen, dass ihm der Arbeitgeber überhaupt eine Kündigung ausgesprochen hat. Eine Kündigung muss deutlich und zweifelsfrei erklärt werden. Um seinen Beendigungswillen auszudrücken, muss der Kündigende zwar nicht unbedingt das Wort "Kündigung" verwenden. Es muss sich aber aus dem Gesamtzusammenhang im Wege der Auslegung ergeben, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewollt ist (BAG v. 15.3.1991 – 2 AZR 516/90, NZA 1992, 452). In der gerichtlichen Praxis ist immer wieder zu beobachten, dass Arbeitnehmer oder ihre Prozessvertreter in Erklärungen des Arbeitgebers, die bei richtiger rechtlicher Bewertung nicht als Kündigung einzustufen sind, eine Kündigung "hineinlesen". Typischerweise kommt dies vor bei der Bestätigung einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder eines Aufhebungsvertrages. Selbst in die Freistellung oder die schlichte Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers wird eine Kündigung hineininterpretiert (vgl., LAG Nürnberg v. 8.2.1994 – 2 Sa 766/93, NZA 1995, 174). In solchen Fällen kann keine Kündigungsschutzklage erhoben werden. Ist der Fortbestand des Arbeitsverhältniss...