Rz. 60
Die Straßenverkehrsbehörden haben u.a. darauf hinzuwirken, dass vom Durchgangsverkehr in erster Linie die dafür gewidmeten überörtlichen Straßen und nicht die örtlichen Erschließungsstraßen reiner Wohngebiete benutzt werden. Nach der Rechtsprechung des BVerwG müssen straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen dort ausscheiden, wo sie die Verhältnisse nur um den Preis bessern könnten, dass an anderer Stelle neue Unzuträglichkeiten auftreten, die im Ergebnis zu einer verschlechterten Gesamtsituation führen.
Hat eine verkehrsrechtliche Maßnahme lediglich eine Verlagerung des Verkehrs auf benachbarte Straßen und damit auch eine Verlagerung der Belastung auf die dortigen Anwohner zur Folge und kann diesem Missstand dann ebenfalls nicht ohne weiteres abgeholfen werden, dann kann diese Maßnahme ungeeignet sein.
Rz. 61
Wird eine Straße (teil-)eingezogen und hat dies eine Verlagerung von Verkehrsströmen auf andere Straßen zur Folge, so werden die Eigentümer von Grundstücken, die an die Straße angrenzen, in die der Verkehr abgedrängt wird, durch die (Teil-)Einziehung in der Regel nicht in eigenen Rechten i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO verletzt. Denkbar ist hier zwar eine Klagebefugnis aus Art. 14 Abs. 1 und aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Dies setzt dann aber voraus, dass der Kläger geltend macht, der abgedrängte Verkehr führt zu solchen Lärm- und Abgasimmissionen in seiner Straße, dass sein Eigentum schwer und unerträglich betroffen oder seine Gesundheit geschädigt wird.
Rz. 62
Dabei bieten diese Grundrechte auch schon unterhalb der Eingriffsschwelle Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das Maß des Zumutbaren überschreiten. Maßgeblich sind auch die Besonderheiten des Einzelfalles. Dazu gehört auch, dass eine Straße nach einer Verkehrsregelung nunmehr als so genannter "Schleichweg" in Anspruch genommen wird und damit Lärmbelästigungen auslöst, die von den Anliegern reiner Wohnstraßen üblicherweise nicht hingenommen werden müssen. Auch dies ist in die behördliche Abwägung zwischen den Belangen des Straßenverkehrs, der Verkehrsteilnehmer und der Anlieger ausreichend zu berücksichtigen. Hierbei kommt es nach VGH BW aber auf den bereits vor Aufstellung des jetzt angegriffenen Verkehrszeichens vorhandenen rechtswidrigen "Schleichverkehr" nicht an. Zu berücksichtigen ist dann nur der durch das angegriffene Verkehrzeichen (Nr. 267) in die Straße abgedrängte rechtmäßige Verkehr.
Rz. 63
Hierhin gehört auch der Mautausweichverkehr (§ 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 und 6, Abs. 9 S. 3 i.V.m. § 41 Abs. 2 Nr. 6 S. 3, S. 5 und S. 6 StVO).
Im Hinblick auf den ausdrücklichen Gesetzeszweck wollte der Gesetzgeber den Straßenverkehrsbehörden mit dem § 45 Abs. 9 S. 3 StVO eine speziell für Mautausweichverkehre definierte abgesenkte Eingriffsmöglichkeit zur Verfügung stellen, die den zuständigen Behörden den Eingriff dann erlaubt, wenn dadurch die erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung von Maut nach dem Autobahnmautgesetz hervorgerufen sind, beseitigt oder abgemildert werden können. Sinn und Zweck der Regelung ist, den überörtlichen Durchgangsverkehr mit schweren Nutzfahrzeugen von mehr als 12 Tonnen zulässiger Gesamtmasse aus Gründen der Ordnung des Verkehrs – insbesondere zum Schutz der Wohnbevölkerung an Ortsdurchfahrten – und zur Verbesserung des Verkehrsablaufs und des Verkehrsverhaltens im nachgeordneten Straßennetz nicht ausweichen zu lassen.
Rz. 64
Orientierungspunkte dafür, wann die Beeinträchtigungen durch Mautausweichverkehr die Erheblichkeitsschwelle des § 45 Abs. 9 S. StVO erreichen, können u.a. der Verkehrslärmschutzverordnung 16. BImSchV entnommen werden. Erhebliche Auswirkungen liegen danach dann vor, wenn der Beurteilungspegel durch den Mautausweichverkehr um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tag oder 60 dB(A) in der Nacht erhöht oder ein schon in dieser Höhe bestehender Beurteilungspegel weiter erhöht wird.