Rz. 29
Tipp: Bemessung
Zur Bemessung der Tagessatzhöhe siehe OLG Zweibrücken zfs 2017, 649.
I. Allgemein
Rz. 30
Das Tagessatzsystem will gerechtere Geldstrafen erreichen. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass bestimmte Delikte grundsätzlich mit der gleichen Tagessatzzahl geahndet werden und die Strafe dann durch die Berücksichtigung des individuellen Einkommens die Täter gleich hart trifft. Die Tagessatzhöhe errechnet sich grundsätzlich aus dem durch die Zahl 30 dividierten Nettoeinkommen des Täters. Allerdings kann es geboten sein, bei nahe am Existenzminimum Lebenden vom Nettoeinkommensprinzip abzuweichen und die Tagessatzhöhe zu senken (OLG Dresden NJW 2009, 2966).
Rz. 31
Tipp: Einspruchsbeschränkung auf Tagessatzhöhe
Der Einspruch gegen den Strafbefehl kann wie beim Rechtsmittel (OLG Hamm DAR 2001, 133) wirksam auf die Tagessatzhöhe beschränkt werden (BGHSt 27, 70). Im Fall einer solchen Beschränkung kann das Gericht mit Zustimmung des Staatsanwaltes und des Angeklagten (Anregung durch Verteidiger!) dem Mandanten eine Hauptverhandlung ersparen und durch Beschluss entscheiden (§ 411 Abs. 1, 3 StPO).
II. Nettoeinkommen
1. Steuerrecht
Rz. 32
Bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe sind die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten zu berücksichtigen. Auszugehen ist von dem dem Täter zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen, das nicht nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu bestimmen ist, weshalb z.B. Abschreibungen außer Betracht bleiben (OLG Hamm MDR 1983, 1043).
Rz. 33
Rz. 34
Das Nettoeinkommen ist ein rein strafrechtlicher Begriff, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu verstehen ist. Hierbei ist alles mit einzubeziehen, was dem Täter aus Einkünften einschließlich Sachbezügen, zufließt (OLG Dresden NJW 2009, 2966). Die vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen vorgenommene Wertung bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe ist dabei vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (OLG Düsseldorf StraFo 1998, 275), zumal die Feststellung des Einkommens ausschließlich anhand vorgegebener strikter Regelungen mit der Ausübung richterlicher Strafzumessung nicht vereinbar ist (OLG Dresden NJW 2009, 2966).
Rz. 35
Ein wesentliches höheres Einkommen des Ehepartners darf allenfalls dann berücksichtigt werden, wenn dem Täter daraus tatsächlich und auch dauerhaft geldwerte Vorteile zufließen, die als Einkommen angesehen werden können (OLG Celle NZV 2011, 560).
Rz. 36
Die tatbedingte Sperre des Arbeitslosengeldes eines Berufskraftfahrers muss bei der Bemessung der Tagessatzhöhe berücksichtigt werden (BayObLG DAR 1999, 560).
2. Unterhaltsverpflichtungen
Rz. 37
Alle Unterhaltsverpflichtungen sind mindernd zu berücksichtigen (OLG Celle NJW 1975, 1038; KG NZV 2010, 530). Dabei können die familienrechtlichen Grundsätze nur eine Richtschnur sein. Sie binden den Tatrichter aber nicht (BGHSt 27, 215). Die von den jeweiligen Oberlandesgerichten herausgegebenen unterhaltsrechtlichen Tabellen bieten jedoch zumindest eine Groborientierung. Es kommt auch ein pauschaler Abzug vom Einkommen des Angeklagten in Betracht, z.B. 25 % für Ehefrau und 15 % für Kind (KG NZV 2010, 530).
3. Andere Verbindlichkeiten
Rz. 38
Andere Verpflichtungen können nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden (OLG Karlsruhe MDR 1977, 65). Es steht im Ermessen des Tatrichters, ob er Anschaffungskredite für Gebrauchsgüter wie Wohnungseinrichtung oder Pkw berücksichtigt (BayObLG DAR 1984, 238).
Rz. 39
Darlehensverpflichtungen, die der Vermögensanlage dienen, werden nicht berücksichtigt; Hypothekendarlehen allenfalls in Höhe der hierauf entfallenden Zinsen (OLG Karlsruhe MDR 1997, 65) abzüglich der Differenz zwischen der für eine vergleichbare Wohnung zu zahlenden Miete und den Aufwendungen, die den Betroffenen als Hauseigentümer treffen, wie z.B. Grundsteuer, Versicherung, Instandhaltung etc. (BayObLG DAR 1999, 560).
III. Vermögen
Rz. 40
Ob das Vermögen des Täters zu einer Erhöhung des Tagessatzes führen kann, ist streitig (OLG Celle NStZ 1983, 315).
IV. Nicht Berufstätige
Rz. 41
Bei nicht berufstätigen Tätern kommt es auf deren etwaige Unterhaltsansprüche an. Unabhängig hiervon beträgt der Mindestsatz 2,50 EUR.
V. Pflicht zur Ermittlung des Einkommens
Rz. 42
Das Gericht muss die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausreichend ermitteln und feststellen. Das Revisionsgericht prüft nach, ob das Urteil diesen Anforderungen genügt und ob eine rechtsfehlerfreie Anwendung erfolgt ist (BGHSt 27, 215). Deshalb müssen die entscheidungserheblichen Tatsachen gem. § 261 StGB im Rahmen der Hauptverhandlung festgestellt und im Urteil mitgeteilt werden (OLG Düsseldorf BA 1997, 167; OLG Düsseldorf StraFo 1998, 275).
VI. Schätzung
Rz. 43
§ 40 Abs. 3 StGB gibt dem Gericht die Möglichkeit, das Einkommen des Täters zu schätzen. Eine Schätzung ist aber nicht bereits zulässig, wenn der Täter keine Angaben macht. Das Gericht ist vielmehr zu weiteren Ermittlungen verpflichtet (OLG Düsseldorf NZV 1994, 324). Dies gilt vor allem dann, wenn die Einkünfte ohne Weiteres feststellbar sind (BayObLG DAR 1986, 243).
Rz. ...