Dr. Andreas Geiger, Dr. Wolfgang Würfel
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 22
Die – weitgefasst – typische Sachverhaltskonstellation besteht bei verwaltungsrechtlichen Klageverfahren darin, dass eine einvernehmliche Lösung einer Problemlage zwischen Verwaltung und Bürger nicht gelungen oder bereits schon nicht versucht wurde.
Angesichts der Vielfältigkeit der denkbaren Streitigkeiten auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts sei hier typisierend genannt der Streit über die Aufhebung eines VA – etwa einer polizeilichen Ordnungsverfügung –, der Streit über den Anspruch auf Ergehen eines beantragten VA – z.B. die Versagung einer Baugenehmigung – oder der Streit über die Rechtspflicht des Staates auf Vornahme oder Unterlassung einer Handlung, die nicht als VA (§ 35 VwVfG) zu qualifizieren ist, die Zahlung einer Entschädigung oder die Erfüllung eines Anspruchs aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag. Als weitere Fallgruppe kommen Feststellungsklagen in Betracht, wenn das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen Bürger und Behörde streitig ist. Schließlich kann auch der Streit über die Wirksamkeit einer im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift vor die Verwaltungsgerichtsbarkeit gebracht werden.
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 23
Rechtliche Grundlagen für Klagen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts sind die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie die Ausführungsgesetze der Länder zur VwGO (AGVwGO). Das erstinstanzliche Verfahren vor dem VG ist in §§ 81 ff. VwGO geregelt. Weitere Vorschriften – insbesondere zum Rechtsweg – finden sich in speziellen Gesetzen des Bundes und der Länder (z.B. Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG; § 126 BRRG).
1. Rechtsweg
Rz. 24
In allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz oder – wenn die Streitigkeit um Landesrecht geht – durch Landesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist (§ 40 Abs. 1 S. 1 u. 2 VwGO). Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung (z.B. § 839 BGB), die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben (§ 40 Abs. 2 S. 1 VwGO); dies gilt nach dem neu eingeführten § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 VwGO nicht für Streitigkeiten über Ausgleichsansprüche im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Klarstellend zu § 40 Abs. 1 S. 1 u. 2 VwGO regelt § 40 Abs. 2 S. 2 VwGO, dass die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie diejenigen über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger VAe unberührt bleiben.
Rz. 25
Eine Streitigkeit ist eine verwaltungsrechtliche i.S.v. § 40 VwGO, wenn der vom Kläger zur Entscheidung vorgetragene Sachverhalt nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu entscheiden ist. Die Entscheidung darüber, ob dies der Fall ist, setzt mithin die Subsumtion des Sachverhalts unter öffentlich-rechtliche Rechtsvorschriften voraus, was entsprechende Rechtskenntnis beim Kläger bzw. seinem Bevollmächtigten erfordert. Schwierigkeiten bestehen insoweit in zweierlei Hinsicht: Es ist zu prüfen, ob eine bestimmte Rechtsnorm dem öffentlichen Recht angehört, sodann ist zu prüfen, ob der konkret streitige Lebenssachverhalt unter die Rechtsnorm zu subsumieren ist. Freilich ist bei Fehlgriffen das Risiko gering, weil das unzutreffend angerufene VG die Klage von Amts wegen an das zuständige Gericht des zutreffenden Rechtsweges verweist (§ 17a Abs. 2 GVG). Die Klagefrist bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ist auch gewahrt, wenn die Klage vor dem unzuständigen Gericht erhoben wird, sofern der Kläger das Gericht für zuständig hielt (§ 17b GVG; anders bei versehentlicher Klageerhebung beim unzuständigen Gericht – z.B. falsche Adresse, falscher Nachtbriefkasten usw.). Die Wahl des falschen Rechtswegs hat mithin vornehmlich Folgen für die Tragung der Prozesskosten. Der Kläger hat die durch Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten auch dann zu tragen, wenn er die Hauptsache gewinnt (§ 17b Abs. 2 S. 2 GVG).
2. Klageschrift
Rz. 26
Die Klage ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben, § 81 VwGO. Sie muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens enthalten, soll – muss aber nicht – einen Antrag und die zur Begründung dienenden Tatsachen enthalten, § 82 VwGO. Streitgegenständliche VAe sollten zumindest in Kopie beigefügt werden. Eine Vorlage der Originalvollmacht mit der Klage ist nicht erforderlich. Diese kann – und muss – aber gem. § 67 Abs. 6 VwGO dem Gericht als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage rechtzeitig vor der Entscheidung vorgelegt werden.
Vom VG aufgegebene Klagebegründungs- und Stellungnahmefristen sind in der Regel nur verfahrenslenkende, rechtlich jedoch nicht bindende Fristen. Bei Nichteinhaltung sollte gleichwohl aus verfahrenstaktischen Gründen eine Verlängeru...